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Meinung: Erst die USA, später die UN

Nur eine starke Militärmacht kann eine „Libanisierung“ des Irak verhindern / Von Ferhad Ibrahim

Das Reich Saddam Husseins, das Samir Khalil in seinem berühmten Buch „The Republic of Fear“ genannt hat, ist tot. Der Krieg gegen den Irak war, angesichts der Befürchtungen der Skeptiker relativ kurz. Aber auch wenn Saddam die Macht verloren hat, sind die Konturen der neuen Republik noch nicht sichtbar. Intern und extern erleben wir wieder große Meinungsverschiedenheiten über den künftigen Irak. Die Gegner des Krieges melden sich zurück: Die Uno solle eine entscheidende Rolle spielen und die völkerrechtliche Legitimation müsse wieder hergestellt werden.

Die arabischen Staaten lehnen eine amerikanische Militärregierung ab und wollen erreichen, dass die Uno die Dinge im Zweistromland regelt. Der amerikanische Präsident scheint nach dem Druck, den der britische Premier Tony Blair auf ihn ausgeübt haben muss, der Uno eine entscheidende Rolle im Irak zugestehen zu wollen. Ein Wandel? Wohl kaum – die USA haben den Begriff „entscheidend“ noch nicht präzisiert. Es scheint, dass die Befürworter einer besonderen Rolle der Uno im Irak die internen Dinge im Irak, den Sprengstoff, der immer noch das Land implodieren lassen könnte, nicht ausreichend berücksichtigt haben. Das gleiche gilt für die schwelenden Spannungen an den Grenzen des Irak.

Die Gegner Saddam Husseins haben sich zwar in der jüngsten Vergangenheit getroffen und noch im Februar hat ein Führungsgremium, bestehend aus den Vertretern der beiden großen kurdischen Parteien, der Kurdistan Democratic Party (KDP) und der Patriotic Union Kurdistan (PUK), dem schiitischen Obersten Rat der islamischen Revolution und dem Iraqi National Congress (INC) und einigen anderen kleineren Organisationen und unabhängigen Personen getagt, doch in der Praxis polarisiert der Krieg diese Organisationen. Allein die kurdischen Parteien waren bereit, mit den USA ein sichtbares Bündnis einzugehen. Zuletzt äußerte der 80jährige ehemalige irakische Außenminister Adnan Pachachi den Wunsch, den neuen Irak anzuführen.

In Hinblick auf die zentrifugalen Kräfte des Irak, die sich nach dem Sturz der Diktatur stärker bemerkbar machen könnten, scheint die Wiederherstellung einer politischen Ordnung zur großen Herausforderung zu werden. Bewaffnete Auseinandersetzungen müssen im Interesse der Iraker unmöglich gemacht werden. Die Herstellung des Machtmonopols, symbolisiert durch eine Zentralmacht, muss bald in Angriff genommen werden. Die Iraker müssen durch eine starke Militärmacht vor einer „Libanisierung“ der Verhältnisse abgeschreckt werden. Das gleiche gilt für die Nachbarstaaten des Irak, die mit Ausnahme von Kuwait und Jordanien alles unternehmen könnten, eine direkte oder indirekte Intervention zu wagen. Die Türkei könnte wegen ihrer Sorge, die Kurden könnten im Irak einen föderativen Staat bekommen, tatsächlich intervenieren. Der Iran unterstützt bereits islamistische Gruppen jeder Couleur. Der Beistand für die irakischen schiitischen Islamisten durch den Iran gilt als sicher. Syrien warnt vor einer Spaltung des Irak. Die drei Nachbarstaaten stehen bereits im Dialog über die Zukunft des Irak.

Es stellt sich nun die Frage, ob die Uno mit ihren, sagen wir, 20 bis 30 000 Blauhelmen die irakischen Kontrahenten und die einer Intervention zugeneigten Staaten von destabilisierenden Aktionen abhalten können? Die Plünderungen durch die irakische Bevölkerung in den letzten Tagen müssten eigentlich eine Warnung sein, dass nur eine robuste amerikanische und britische Armee in Mesopotamien die lauernden Kräfte von Feindseligkeiten abhalten kann. Die 35-jährige Diktatur im Irak hat die Fundamente der irakischen Zivilgesellschaft fast völlig zerstört. Feste Strukturen durch eine abschreckende Macht sind notwendig für den Neubeginn. Die Uno kann, in einer Übergangsphase von mindestens einem Jahr, im humanitären Bereich eine großartige Arbeit im zerstörten Irak leisten.

Die Notwendigkeit der Anwesenheit der Amerikaner und Briten in der kommenden Stabilisierungsphase muss in Kauf genommen werden, auch, dass US-Firmen den Löwenanteil der Aufbaugeschäfte für sich in Anspruch nehmen. Frankreich, Russland und Deutschland haben schließlich in der Vergangenheit keine schlechten Geschäfte mit dem Irak des Saddam Hussein gemacht.

Der Autor ist Professor für Politische Wissenschaft an der FU Berlin. Foto: adolph press

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