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Meinung: Es gibt kein Tischtuch mehr

Warum Westerwelle Vermittlungsversuche ablehnt

Von Robert von Rimscha

Bei den Liberalen wird gerade die Chronik eines angekündigten Vatermordes lebendig. Da ringen Parteichef Guido Westerwelle und sein abgesetzter Stellvertreter Jürgen Möllemann. Der ist eine politische Generation älter als Westerwelle und der Bannerträger jener Truppen, die Westerwelle an die Parteispitze führten: Unabhängige, 18-Prozentler, Protestierende aus der Mitte der Gesellschaft. Wat mutt, dat mutt, pflegte ein ehemaliger SPD-Vorsitzender stoisch zu sagen. Westerwelle ist alles andere als stoisch, er ist entschlossen, empört und kampfeswillig. Und dafür wurde es auch höchste Zeit.

Zuweilen heißt es, Möllemann sei nicht teamfähig. Das stimmt nicht. Er ist extrem teamfähig, wenn er der Chef ist. Nur mit der Ein- und Unterordnung, da hat er so seine Probleme. Und deshalb soll es ihm am Montag an den Kragen gehen. Seine Landespartei soll ihm, so wünscht es Westerwelle, auch noch den Posten des FDP-Landeschefs nehmen.

Zwei Debatten, die mit heftigem Rückenwind aus NRW geführt werden, lenken vom eigentlichen Geschehen ab. Da ist zunächst die Frage, wie negativ der Möllemann-Effekt bei der Bundestagswahl denn wirklich war. Zweitens: Da wird suggeriert, die dauernden taktischen Rückzieher, Halb-Entschuldigungen und Versöhnungsangebote Möllemanns liefen auf eine gütliche Einigung hinaus - oder machten sie zumindest möglich.

Nein, Westerwelle hat längst begriffen, dass es so nicht mehr geht. Er steht jetzt in der Tradition der gestürzten Parteichefs Lambsdorff, Kinkel und Gerhardt und weiß, dass er die finale Konfrontation mit Möllemann braucht. Sein Kern-Vorwurf gegen Möllemann – Vertrauensbruch, nicht: Wahlergebnis – sollte einer Funktionärspartei leicht zu vermitteln sein. Der inhaltliche Vorwurf, dass man mit gleichsam zur Fahndung ausgeschriebenen israelischen und jüdischen Politikern keinen Wahlkampf betreibt, ist es auch. Die Zeit, in der Westerwelle seine Partei mit heftigem Harmoniebedürfnis und steten Ausgleichsversuchen zu lenken versuchte, ist offenbar vorbei. Viel zu lange hat er sich viel zu viel von Möllemann gefallen lassen, und so musste der Eindruck entstehen, Deutschlands unsicherster Kantonist auf der Polit-Bühne habe den eigenen Chef in die Hand bekommen.

Für Montagabend, für den Landesparteitag in Wesel, stehen die Zeichen also auf Konfrontation statt Einigung. Eines allerdings bedeutet dies nicht: Dass ein weiterer Möllemann-Rückzieher ausgeschlossen ist. Der Landeschef kämpft stets nur dann, wenn er gewinnt, oder die Niederlage ein strategischer Sieg zu werden verspricht. Wenn sich also abzeichnen sollte, dass die Kalkulation der Berliner Parteiführung stimmt, dass zwei Drittel der 400 Delegierten gegen Möllemann votieren könnten, dann dürfte dieser einen Rückzieher mit Knalleffekt zumindest erwägen. Nur eines wäre dies nicht. Eine gütliche Einigung mit Westerwelle. Denn zwischen den beiden ist das Tischtuch nicht nur zerrissen. Es ist zerfleddert, in tausend Einzelfasern.

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