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Meinung: Es wird kalt in Russland

Deutsch-russischer Gipfel: Was Schröder Putin heute sagen muss Von Friedbert Pflüger

Über Russland weht der Geist der Restauration. Wladimir Putin hat eine weitgehende Gleichschaltung der Institutionen durchgesetzt. Die Duma ist schon heute fast ein EinPartei-Parlament. Ein neues Wahlgesetz wird die Direktwahl von Abgeordneten in Wahlkreisen abschaffen. Putin plant ein System von abhängigen Blockparteien. Die elektronischen Medien sind in seiner Hand. Die Gouverneure werden ab 2005 nicht mehr gewählt, sondern von ihm eingesetzt. Die „Macht“ greift – Jukos zeigt das – auch privates Eigentum an.

Die Geheimdienste breiten sich wieder aus, Politiker werden abgehört. Wladimir Ryschkow, der streitbare Demokrat, empfindet wieder Angst. Anna Politkowskaja, Autorin eines kreml-kritischen Buchs über Tschetschenien wurde kürzlich vergiftet. Aber Gerhard Schröder bezeichnet Putin als „lupenreinen Demokraten“.

Russland verdient Solidarität im Kampf gegen den islamistischen Terror. Aber die Tschetschenienpolitik des Kreml hat keine Perspektive: Putin macht ausländische Kräfte (Al Qaida) für den Terror verantwortlich, gleichzeitig aber erklärt er Tschetschenien zum nationalen Problem und weigert sich, internationale Vermittlung durch Europarat und OSZE anzunehmen. In Tschetschenien sind seit Ausbruch des Krieges 1994 etwa zehn Prozent der Zivilbevölkerung umgekommen, umgerechnet auf den Irak würde das bedeuten, dass dort 2,6 Millionen Menschen das Leben verloren hätten! Putin setzt ganz auf eine militärische Lösung. Aber Gerhard Schröder hielt es für richtig, ausgerechnet mit Putin eine Friedensachse gegen die USA im Irakkrieg aufzubauen. Die Wahl in Tschetschenien wurde von EU-Kommission und Grünen als Farce bezeichnet. Aber Gerhard Schröder fand diese Wahl „akzeptabel“.

Das Denken des Kalten Krieges ist nach Russland zurückgekehrt. Putins Berater sprechen von einem „Krieg des Westens“. Aber das Aufbegehren des Volkes in der Ukraine oder die Rosenrevolution in Georgien gehen nicht auf „konspirative Machenschaften“ des Westens zurück, sondern auf Fehleinschätzungen der Moskauer Großmachtpolitik. Von Gerhard Schröder gab es dazu kaum ein kritisches Wort.

Deutschland braucht Russland als Partner. Wir wollen Zusammenarbeit auch mit Putin. Deutschland hat wirtschaftliche und energiepolitische Interessen in Russland. Moskau soll Partner sein – aber es darf kein Ausnahmepartner werden! Eine strategische Partnerschaft setzt voraus, dass Moskau minimale demokratische Grundprinzipien einhält. Eine „gelenkte Demokratie“ hatte Putin gefordert. Momentan sieht man viel Lenkung, aber wenig Demokratie.

Schröder, der ein offenes Wort gegenüber Bush gern äußert, sollte dies beim deutsch-russischen Gipfel in Hamburg endlich auch gegenüber Putin tun. Gerade die Wirtschaft braucht funktionierende Institutionen, ein Klima von Freiheit und Rechtssicherheit. Schröder muss den Eindruck vermeiden, er betreibe Politik nach dem Motto: Schweigen für Gas.

Der Kanzler sollte den russischen Präsidenten davon überzeugen, dass er seinem Land nicht dadurch dient, dass er alten Großmachtträumen und zentralistischen Vorbildern nachhängt, sondern dass er die Kräfte der Freiheit entfesselt. Putin muss die Spielräume, die ihm die Erlöse aus hohen Öl- und Gaspreisen verschaffen, endlich zu einer umfassenden strukturellen Reform der Wirtschaft nutzen und die Erschließung Sibiriens vorantreiben, das sich derzeit rapide entvölkert. Dann kann Deutschland ein strategischer Partner sein.

Der Autor ist außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

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