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Afrika und Europa - auf Augenhöhe nur am Konferenztisch: Bundeskanzlerin Angela Merkel neben Algeriens Ministerpräsident Ahmed Ouyahia (Mitte) und Südafrikas Präsident Jacob Zuma beim Gipfel in Abidjan am Mittwoch

© Michael Kappeler/dpa

EU-Afrika-Gipfel: Europa verschärft Probleme, statt sie zu lösen

Die Afrika-Politik der europäischen Staaten setzt auf Abgrenzung. Um Entwicklung und Chancen für die Jugend geht es nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Marshall-Plan für Afrika, Partnerschaft mit Afrika, Nothilfefonds für Afrika, Rabat-Prozess, Khartoum-Prozess, dazu die vielen euro-afrikanischen Treffen der letzten Jahre: Wer nur die Schlagzeilen sieht, könnte an eine Liebesgeschichte der beiden Kontinente glauben. Auch auf dem laufenden EU-Afrika-Gipfel in Abidjan geht es wieder um Großes, um Chancen für Afrikas Jugend.

Migration: Ein Menschenrecht wird zum Delikt

Doch das ist nur Teil eins der Überschriften. Im zweiten Teil steht immer „Migration“. Und da geht es eben nicht mehr um Chancen, sondern darum zu verhindern, dass Menschen aus afrikanischen Ländern die Chance ergreifen, ihr Leben zu verbessern, indem sie den Kontinent verlassen. Und dabei von einem Menschenrecht Gebrauch machen, das in fast allen offiziellen Verlautbarungen nur noch zusammen mit dem Adjektiv „illegal“ auftaucht. Ein paar als legal anerkannte Türchen gibt es auch – auf dem Papier. De facto tun Europas Behörden das Ihre, die Zahl der Visa winzig zu halten. Oder bereits vergebene kurz vor dem Abflug zu kassieren, wie es kürzlich den Gästen einer Brandenburger Kirchengemeinde geschah.

Es ist eher das Gegenteil einer Liebesgeschichte: Die vielen Programme der vergangenen zehn Jahre sind vielmehr Dokumente der unüberwindbaren Gegensätze des ungleichen Paars Europa-Afrika und des Machtgefälles in der Beziehung. Das Ziel der Regierungen im Norden, sich unter Beibehaltung des eigenen Lebensstils möglichst jeden Kriegs-, Klima-, Armuts- oder politischen Flüchtling vom Leibe zu halten, ist unvereinbar mit dem der Menschen im Süden an einem auch nur halbwegs menschenwürdigen Leben.

Die Agenda der EU schafft oder verschärft erst die Probleme, die sie vorgibt zu lösen: Wenn die Flut europäischer Waren und Lebensmittel lokale Märkte zerstört, das Meer vor Westafrika leergefischt wird, Wohlstandsgiftmüll die Böden verseucht und Europa Rohstoffe importiert, statt lokaler Verarbeitung Chancen zu geben, dann sind „job opportunities“, die die offiziellen Gipfeltexte so gern verheißen, Tropfen auf heiße Steine. Bestenfalls.

Es geht auch schlimmer, etwa wenn in einem EU-Strategiepapier zu Eritrea, Afrikas Nordkorea, das staatliche Zwangsarbeitssystem klar benannt wird, sogar die Risiken fürs Ansehen der EU, wenn man mit diesem Regime kooperiert. Und gleichzeitig werden Energie-Investitionen empfohlen, um „indirekt Arbeitsplatzchancen“ zu schaffen.

Aus grünen Grenzen wird Beton

Libyens Machthaber Gaddafi, ein weiteres Beispiel, wurde lange als Türsteher Europas gepäppelt. Dann bombardierte man ihn von der Macht, sein Land in den Zerfall - und zwang auch noch die subsaharischen Migranten zur Flucht nach Norden, die bis dahin in Libyen Arbeit gefunden hatten.

Noch unmittelbarer brutal ist der Teil Migrationsbekämpfung im Rahmen der „Partnerschaften“ mit Afrika: Da werden grüne Grenzen zu betongrauen. Uralte, lebenswichtige Binnenwanderwege werden zerschnitten. Europas Partner dabei: kriminelle Milizen – die libyschen Sklavenmärkte sind ihr Hoheitsgebiet – und Machthaber, die Hunderte von Milliarden Euro, oft als Entwicklungshilfe etikettiert, in die Perfektionierung der Unterdrückung investieren können. An den Grenzzäunen und Überwachungssystemen verdient die Industrie. Europäische natürlich.

Dass die Euro-Summen vor allem dahin fließen, wo nicht die Entwicklungs-, sondern die EU-Grenzpolitik die größten Chancen sieht, dokumentiert die kürzlich preisgekrönte Website der „taz“, migration-control.de. Addiert man die märchenhaften Beträge dort, fragt man sich unweigerlich, was das Geld alles verändern könnte, gäbe man es nicht für Stacheldraht, sondern für Menschen aus, auch die, die es nach Europa schaffen. Dafür bräuchte es keine Gipfel, sondern politische Phantasie. Und langen Atem.

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