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Meinung: EU-Asylrecht: Festung Großbritannien

Nicht nur Zuhälter, Menschenhändler und Pädophile profitieren von dem Elend der Asylsuchenden. Sie sind die billigste Münze, mit der Politiker Stimmen erwerben können.

Nicht nur Zuhälter, Menschenhändler und Pädophile profitieren von dem Elend der Asylsuchenden. Sie sind die billigste Münze, mit der Politiker Stimmen erwerben können. Zur Ehre von John Major sei gesagt, dass er es strikt abgelehnt hatte, Flüchtlinge zum Wahlkampfthema zu machen. Sein Nachfolger William Hague kennt da keine Skrupel.

Da die britischen Konservativen die Wahlen kaum mit Argumenten gewinnen können, setzen sie auf europa- und fremdenfeindliche Stimmung. Die Statistik gibt ihnen scheinbar recht: Mit 75 000 Asylbewerbern steht Großbritannien jetzt an der Spitze der EU. Freilich täuscht die Zahl darüber hinweg, dass das Königreich bei der Zahl der bislang aufgenommenen Asylanten noch weit hinter anderen Ländern der EU liegt.

Die konservative Propaganda, die von der Massenpresse sensationell ausgebeutet wird, veranlasste den Verband der britischen Polizeioffiziere zu einer ernsten Warnung vor der "Anheizung rassistischer Tendenzen". Tony Blair und sein Innenminister Jack Straw mussten reagieren, zumal ihre Meinungsforscher herausfanden, dass auch die Labour-Stammwähler argwöhnen, dass Großbritannien ein "weiches Ziel" für Asylbewerber sei. So will Blair mit italienischer Hilfe die "Hintertür zum Balkan" zunageln, durch die die meisten Asylsucher nach Großbritannien drängen. Die zweite Pforte, Frankreich, soll jetzt beim Gipfel mit Chirac geschlossen werden. Asylbewerber, die über den Kanal kommen, sollen wieder nach Frankreich abgeschoben werden. Wenn sich das herumgesprochen hat, so glauben die Briten, würden Flüchtlinge aus der Englisch sprechenden Welt gar nicht mehr versuchen, nach Frankreich zu kommen, was ja auch im Interesse von Paris läge.

Innenminister Jack Straw will gar die Genfer Konvention umschreiben. Nach seinen Plänen sollen Asylbewerber möglichst den Antrag bei einer britischen diplomatischen Vertretung in ihrem Heimatland stellen. Mutet dies im Falle von politischer Verfolgung naiv an, so ist sein zweites Denkmodell zynisch: Flüchtlinge sollen in Lagern nahe ihrem Heimatland gehalten werden, wo ihr Ausreisewunsch in ein EU-Land dann geprüft wird. Die Tatsache, dass schon jetzt weniger als ein halbes Prozent der weltweit registrierten Flüchtlinge in der EU Aufnahme findet, zementiert die "Festung Europa", die ihre humanitären Verpflichtungen auf die ärmsten Länder abschiebt.

Es ist nicht zu bestreiten, dass manche Asylbewerber aus materiellen Gründen eine neue Heimat suchen. Ist blanke Not nicht auch ein respektables Motiv? Und ist Europa nicht schon aus demographischen Gründen auf Einwanderer angewiesen? Ungeachtet dessen sollte das humanitäre Prinzip des Asylrechtes nicht durch bürokratische Tricks unterminiert werden. Das hilft nur Menschenhändlern und politischen Hasardeuren wie den Haiders, Berlusconis und Hagues.

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