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EU: Die Griechen sind die Bayern von heute

So entsteht Gemeinschaft: In Griechenland muss die EU zeigen, wozu sie fähig ist.

Griechenland ist nicht der Kern Europas, nicht mehr. Seine Blütezeit liegt gut 2000 Jahre zurück; seitdem geht es bergab. Heute ist Griechenland abgewirtschaftet und überschuldet. Obendrein haben die Landesstatistiker die Europäische Union über Jahre betrogen. Wenn es in der Gemeinschaft die Option des Rauswurfs gäbe, Griechenland wäre der erste Kandidat.

Aber es ist ein Segen, dass es sie nicht gibt. Die EU soll kein Bündnis der starken Volkswirtschaften sein, sondern eines der geeinten Nationen. Erst daraus erwächst Stärke, auch wirtschaftliche. Die USA denken ja auch nicht über den Rauswurf Kaliforniens nach. Trotz des Landesbankdebakels bleibt Schleswig-Holstein Teil der Bundesrepublik. So entsteht Gemeinschaft: Der Starke hilft dem Schwachen.

Ohnehin ist Stärke zyklisch. Wer hätte dem verarmten, von Flüchtlingen überlaufenen Agrarstaat Bayern kurz nach dem Krieg zugetraut, für viele Jahre das Bundesland mit der größten Wirtschaftskraft zu sein? Aus dem Empfänger von Hilfen wurde ein beständiger Nettozahler. Oder wer hätte in der Blütezeit Berlins einst gedacht, dass die potentesten Unternehmen – Deutsche Bank, Siemens, Lufthansa und wie sie alle heißen – die Stadt verlassen und dass heute jeder fünfte Bürger staatliche Transferleistungen bezieht? Und schließlich: Wer stellte beim rasanten Aufstieg Irlands und Spaniens in den vergangenen Jahren die Frage nach der Nachhaltigkeit des Booms?

Auch gehören zum erfolgreichen Lügen immer zwei: der Lügner und der, der sich belügen lässt. Die Europäische Kommission ließ sich belügen, obwohl selbst die gefälschten Zahlen zeigten, dass Griechenland die Defizitkriterien nicht ein einziges Mal erfüllt hat.

Das alles vorausgesetzt, waren von dem Gipfel in Brüssel zwei Signale zu erwarten: dass den Griechen geholfen wird und dass die EU in der Krise zusammensteht. Leider blieben beide Signale aus. „Griechenland wird nicht alleine gelassen“, sagte die Kanzlerin zwar und klang so wie im Oktober 2008, als sie die Spareinlagen der Deutschen garantierte. Doch dass Griechenland nicht alleine steht, ist momentan nur ein vages Versprechen.

Dabei ist die Lage mindestens so prekär wie damals. Die US-Regierung ließ die Lehman-Bank pleitegehen und löste so Schockwellen an den Finanzmärkten aus. Viel größere Tragweite hätte die Pleite eines EU-Mitglieds. Griechenland ist für Europa, was Lehman für Amerika war: der Test des Systems.

Deswegen muss die Union jetzt über sich hinauswachsen. Direkte Hilfen sind rechtlich nicht möglich, aber als Symbol der Stärke schlägt eine gemeinsame Anleihe jede bilaterale Hilfe. Der griechische Haushalt steht künftig unter der Kontrolle der Europäischen Kommission, und diese Kontrolle muss unmissverständlich ausgeübt werden. Portugal, Spanien und Italien sollen sich aufgefordert fühlen, aus eigener Kraft zu sparen. In Griechenland muss die EU zeigen, wozu sie fähig ist. An Griechenland hängt die Stabilität des stärksten Wirtschaftsraums der Welt – und auch seine politische Zukunft.

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