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Unter Druck: Angela Merkel wurde beim Euro-Gipfel insbesondere vom italienischen Premier Mario Monti zugesetzt.

© dapd

EU-Gipfel: Merkels Niederlage hilft Europa

Euro-Bonds werden in Europa nicht so schnell eingeführt. Doch dafür musste Bundeskanzlerin Merkel einen herbe Niederlage einstecken. Langfristig kann ihr dies aber sogar nützen.

Nein, eigentlich hat der Fußball nichts mit Politik zu tun. Pirlos Pässe sind das eine – nationale Befindlichkeiten, die Abwehrreflexe gegen einen potenziellen deutschen Hegemon in Europa und die Hilferufe Italiens und Spaniens mitten im Strudel der Euro- Krise sind etwas völlig anderes. Und doch sind im Fußball, diesem magischen Spiel, und in der Politik zwei Dinge passiert, deren Ähnlichkeit unverkennbar ist: So wie Mario Balotelli das deutsche Team aus dem EM-Turnier fegte, so hat Italiens Regierungschef Mario Monti wenige Stunden später Angela Merkel bezwungen. Es ist eine Niederlage für die Kanzlerin, da hilft kein Schönreden. Aber es ist eine Niederlage, die der Euro- Zone erst einmal weiterhilft – und damit am Ende auch Deutschland als großem Euro-Profiteur.

Es sind dies, wieder einmal, historische Stunden für Europa. Kanzlerin Merkel ist bei diesem EU-Gipfel den Krisenländern Italien und Spanien so weit entgegengekommen wie nie zuvor. Behaupte nun keiner mehr, dass die deutsche Regierungschefin mit ihrem Sparkurs die Pleite in den krisengeschüttelten Ländern des Südens und damit den Zerfall der Euro-Zone heraufbeschwören würde. Das Zugeständnis der Kanzlerin an Monti und seinen Madrider Amtskollegen Mariano Rajoy, dass die Euro-Rettungsschirme künftig italienische und spanische Staatsanleihen ohne neue Auflagen aufkaufen dürfen, bedeutet einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Haftung.

Video: Merkel zeigt sich zufrieden mit den Brüsseler Beschlüssen:

Zwar hat auch dieser Gipfel nichts daran geändert, dass es die von Merkel strikt abgelehnten Euro-Bonds nicht geben wird. Aber auch wenn auf absehbare Zeit keine direkte Haftung Deutschlands für die Schulden anderer Euro-Staaten kommen wird, so wirft der Deal von Brüssel im Bundestag zu Recht einige Fragen auf. So beging Merkel in Brüssel einen Tabubruch, als sie der Regelung zustimmte, wonach sich Pleite-Banken irgendwann in der Zukunft direkt aus dem Rettungsschirm ESM sanieren dürfen. Auch wenn für eine derartige Direkthilfe erst eine europäische Bankenaufsicht aufgebaut werden muss, bleibt doch eine Frage offen: Wie wirksam ist eine zentrale Bankenaufsicht von Krisenländern, die sich mit der Umsetzung versprochener Reformen oft schwertun?

Merkels Niederlage in Brüssel lässt sich auch so beschreiben: Die Kanzlerin musste beim EU-Gipfel gegenüber einer übermächtigen Angriffsreihe von Staats- und Regierungschefs klein beigeben, die wie Frankreichs neuer Staatschef François Hollande erst einmal ein Zeichen der europäischen Solidarität sehen wollen, bevor sie irgendwann in ferner Zukunft die Kontrolle über ihre Budgets und Arbeitsmärkte an Brüssel abtreten. Damit kommt der Euro für die nächsten Wochen mit den absehbaren Zinserleichterungen für Spanien und Italien vielleicht erst einmal in ein ruhigeres Gefilde, und das wäre auch gut so.

Aber das grundsätzliche Dilemma, dass die Währungsunion auf Dauer eigentlich ohne die Übertragung zusätzlicher Kontrollkompetenzen nach Brüssel nicht funktionieren kann, bleibt bestehen. Immerhin gab der Gipfel das Signal, dass sich Europas Staatenlenker in den nächsten Monaten weiter mit der Frage beschäftigen wollen, wie der Euro irgendwann mit einer Fiskalunion das Fundament bekommt, das er so dringend benötigt. Für Angela Merkel, die zu den Verfechtern einer politischen Vertiefung der Gemeinschaftswährung gehört, heißt das: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

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