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EU und Kosovo: Jenseits in Europa

Nach dem Irak und Afghanistan scheint das Kosovo ein weiterer Beleg dafür zu sein, dass sich unser westliches Rechtsstaatsmodell nicht exportieren lässt - nicht einmal bis an Europas Ränder. Ob die Interventionen der vergangenen Jahrzehnte damit falsch waren, ist eine andere Frage.

Außerhalb Brüssels gibt es wohl kaum einen europäischeren Ort als Pristina, die Hauptstadt des Kosovo. Das kleine Land gehört zwar nicht zur EU, doch in den schicken Bars und Restaurants Pristinas sitzen Italiener, Franzosen, Niederländer, Polen und Deutsche. Gezahlt wird im Kosovo ohnehin mit dem Euro. Seit sich die frühere serbische Provinz Anfang 2008 für unabhängig erklärt hat, sind fast 2000 EU-Berater ins Land gekommen, um den zwei Millionen Kosovaren beim Staatsaufbau zu helfen. Eulex heißt ihre Mission. Es ist die größte und teuerste der EU überhaupt. Und dennoch droht sie zu scheitern.

Am Sonntag wurde im Kosovo ein neues Parlament gewählt, weil die Regierung im Oktober zerbrochen war. Das passiert anderswo in Europa auch und ist daher kein Gesichtsverlust für die europäische Mission. Dass im Kosovo Korruption und Kriminalität blühen, hingegen schon. Denn in dem vom früheren finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari ausgearbeiteten Fahrplan für die Unabhängigkeit wird der EU eine Art Überwachungsstatus zuerkannt. Eulex hat sogar eigene Ermittler. Dennoch wird das Kosovo weiter von einigen wenigen Familienclans und Ex-Kommandeuren der früheren Befreiungsarmee UCK beherrscht, die nicht nur korrupt sind, sondern das Land nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste inzwischen zu einem Drehkreuz des europäischen Frauen- und Drogenhandels ausgebaut haben.

Nach dem Irak und Afghanistan scheint das Kosovo also ein weiterer Beleg dafür zu sein, dass sich unser westliches Rechtsstaatsmodell nicht exportieren lässt. Offenbar nicht einmal bis an Europas Ränder. Ob die Interventionen der vergangenen beiden Jahrzehnte damit gleichsam falsch waren, ist eine andere Frage. Für das Kosovo jedenfalls gilt: Die Unabhängigkeit war und ist alternativlos. Allerdings war es eindeutig ein Fehler, den Regierenden nicht gleich die volle Verantwortung für ihr Land zu übergeben – und jede Hilfe an strikte Bedingungen zu knüpfen.

Nach ihrer Arbeit gefragt, spult die neue politische Klasse des Kosovo heute mit ausdrucksloser Miene auswendig gelernte Formeln aus dem Ahtisaari-Plan ab: Minderheitenschutz, Annäherung an die EU, Wirtschaftsreformen. Allein: Es passiert nichts. Jenseits der neuen Glaspaläste Pristinas, auf den Dörfern, herrscht bittere Armut, nicht einmal die Stromversorgung funktioniert reibungslos. Minderheiten wie Serben und Roma müssen zwar nicht mehr täglich um ihr Leben fürchten, doch von einer aktiven Integration kann keine Rede sein. In Pristina überlässt man es gern der EU und den UN, sich um sie zu kümmern. Und die sind ja auch überaus freigiebig, allein aus der EU flossen seit 1999 mehr als vier Milliarden Euro ins Kosovo.

Wie viel mehr mit Druck und Härte erreicht werden könnte, zeigt ausgerechnet das Beispiel Serbien. Auch Belgrad fordert Anerkennung und Hilfe, doch hat Brüssel stets auf Vorleistungen bestanden. Mit Erfolg. So entschuldigte sich das serbische Parlament nicht nur für das Massaker in Srebrenica, auch im Streit um die Unabhängigkeit des Kosovo zeigt sich Belgrad nun zum Dialog bereit. Erstmals wurden die Serben im Kosovo diesmal auch nicht zum Wahlboykott aufgerufen. Freilich haben die alten Seilschaften auch hier noch großen Einfluss. Sonst säße ein Radko Mladic längst auf der Anklagebank in Den Haag. Doch sie bestimmen nicht mehr die Politik. So wie es aussieht, wird Serbien daher lange vor dem Kosovo in die EU kommen.

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