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EU und Nordafrika: Alles kleine Egoisten

Es brennt in der unmittelbaren Nachbarschaft der Europäischen Union. Sarkozy will Gaddafi angreifen, Merkel zögert: Fürchten muss sich der Tyrann am Tag des EU Gipfels wohl kaum. Ein Kommentar.

Ein ganzer Staat steht in Flammen, täglich sterben dort Menschen, auch wenn die Bilder aus Tripolis eine trügerische Ruhe vorgaukeln. Es könnte sein, dass sich in diesen Tagen entscheidet, ob der libysche Despot Muammar al Gaddafi seine Macht erneut festigt oder ob die Aufständischen endgültig das Heft in die Hand bekommen.

Das wissen natürlich auch die Staats- und Regierungschefs der EU, die am heutigen Freitag in Brüssel über die Lage in Libyen beraten. Für die Europäer wäre es eigentlich jetzt das Gebot der Stunde, eindeutig Partei für die Aufständischen zu ergreifen. Stattdessen verebbt die gemeinsame europäische Außenpolitik an dem Punkt, über den sie schon seit Jahren nicht hinauskommt: bei der Pflege nationalstaatlicher Egoismen.

Es ist ernüchternd, dass sich die EU-Staaten noch nicht einmal darüber einig sind, mit welcher Taktik sie dem libyschen Machthaber begegnen sollen. Der Vorwurf trifft vor allem Berlin und Paris. Eigentlich müssten Deutschland und Frankreich den Kern einer europäischen Außenpolitik bilden. Aber am Vorabend des Gipfels zeigen sie sich gespalten. Frankreichs Staatschef Sarkozy, der nach dem Debakel um die tunesischen Machenschaften seiner inzwischen gefeuerten Außenministerin Alliot-Marie offenbar am südlichen Rand des Mittelmeers Boden gutmachen will, erkennt die Aufständischen als Vertreter des libyschen Volkes an und will Gaddafi mit gezielten Luftschlägen aus dem Amt feuern. Berlin aber zögert. So zeigt sich die EU in alter trauriger Manier: als wirtschaftlicher Riese und politischer Zwerg.

Zwar wäre es falsch, wenn man behaupten würde, dass die Europäer die Hände in den Schoß gelegt hätten, seit Gaddafis Truppen mit dem Morden begannen. Sie haben beschlossen, die Vermögen der libyschen Herrschaftselite einzufrieren und sogar strengere Sanktionen zu erlassen als die Vereinten Nationen. Die Europäer helfen mit, Flüchtlinge aus der Elendszone in ihre Heimat zu bringen. Und sie überlegen – mit dem schlechten Gewissen derjenigen, die es sich viel zu lange in der Kumpanei mit Gaddafi bequem gemacht haben –, wie sie künftig eine vernünftige Kooperation mit dem Norden Afrikas auf die Beine stellen sollen.

Allerdings stellt sich die Frage, welchen Nutzen die Aufständischen in Libyen in der akuten Machtprobe mit Gaddafi aus all den gut gemeinten Aktionen der Europäer ziehen sollen. Es deutet auch nichts darauf hin, als würden die Chefs der EU bei ihrem Gipfeltreffen ein Signal geben können, welches das Blatt zugunsten der Gegner des Diktators von Tripolis wenden könnte – Sarkozys Ankündigungen zum Trotz. Über eine Flugverbotszone entscheiden nicht sie, sondern die Nato.

Und selbst wenn die Europäer gemeinsam nur zu einer griffigen Erklärung nach dem Motto „Gaddafi muss weg“ kommen sollten – müsste sich der Tyrann deshalb wirklich fürchten? Wohl kaum. Die EU-Mitglieder sind nämlich trotz aller vollmundigen Erklärungen weit davon entfernt, Gaddafi endgültig die Rote Karte zu zeigen. Das sollten sie aber tun. Auch um ihrer Glaubwürdigkeit willen.

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