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Meinung: Euro: Der Euro freut die Angelsachsen

Kurz vor Weihnachten war ich Gast der Friedrich-Naumann-Stiftung in Washington D.C.

Kurz vor Weihnachten war ich Gast der Friedrich-Naumann-Stiftung in Washington D.C. bei einem Mittagessen mit jungen Unternehmern aus Deutschland. Thema: Wie man die Wirtschaft reformieren muss. Eiskalt lief es mir den Rücken runter, als sie zu kulinarischen Leckerbissen hart und trocken über die Notwendigkeit von Steuersenkungen und Konkurrenz sprachen. Brecht hatte Recht: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral."

Zum Thema Online Spezial: Euro - Das neue Geld ist da! Die Deutschen, erklärte man uns Amerikanern, lebten heute viel länger als früher, die ältere Generation koste die Gesellschaft eine Menge Geld. Niemand wolle arbeiten, woran auch die Gewerkschaften Schuld trügen; mit ihrer jobvernichtenden Politik hätten sie sich selbst ad absurdum geführt und müssten abgeschafft werden. Dann werde die Hälfte der Arbeitslosen wieder Jobs finden. Die andere Hälfte sei zu ewiger Arbeitslosigkeit verdammt.

Donnerwetter! Eine solche Sprache würden sich selbst die härtesten amerikanischen Neoliberalen nicht erlauben. Mir tat ein höflicher, älterer Deutscher besonders Leid, der sich anhören musste, dass seine Generation zur Belastung geworden sei. Ich hatte das Gefühl, eine Zeitmaschine habe mich ins wilhelminische Deutschland zurückversetzt - nur dass statt des Klassenkonflikts der Generationenkonflikt das Bewusstsein bestimmt.

In Amerika sind wir ja einiges gewohnt. Zum Beispiel werden uns noch die verwunderlichsten Subventionen von Firmen oder Branchen als Segen für die ganze Gesellschaft verkauft. Aber kann die Lage in Deutschland wirklich so verzweifelt sein? - Ja, sie kann. Die Arbeitslosenzahl ist wieder über vier Millionen gestiegen. Ein Düsseldorfer Gericht verbietet C & A den Sonderrabatt von 20 Prozent bei Kartenzahlung. Da bekommt man glatt ein bisschen Mitleid mit den sonst so kaltblütigen Unternehmern. Ausgerechnet C & A! Die verkaufen doch nicht Luxusgüter, sondern eher preiswerte Ware für Deutsche, die nicht zu den Besserverdienern gehören.

In den USA gibt es zu wenige Gesetze, die Firmen einengen. Deutschland hat das umgekehrte Problem. Doch eine Lösung ist schon im Sicht: der Euro. C & A führt den jüngsten Sturm auf die Bastille der alten deutschen Ordnung an. Noch blasen Düsseldorfer Gerichte zum Gegenangriff. Aber das wird nicht mehr helfen, wenn die EU eine einheitliche Regelung durchsetzt, die Rabatte zu jeder Zeit erlaubt. Der Euro wird diesen Prozess beschleunigen, die Gemeinschaftswährung schafft Preistransparenz in ganz Europa. Regierungen sind zu Budgetdisziplin gezwungen. Silvio Berlusconi sollte aufpassen: Vielleicht werden die Finnen bald nicht nur Lachs verkaufen, sondern auch Prosciutto herstellen, der womöglich dem italienischen überlegen ist.

Viele Europäer plagte die Sorge, der Euro diene vor allem einem Ziel: Am deutschen Wirtschaftswesen solle Europa genesen. Nun sieht es jedoch eher danach aus, als werde das überreglementierte Ökonomiemodell der Bonner Republik zum Opfer des Euro. Der europaweite Wettbewerb kann langsamer oder kann schneller kommen, aber er kommt ganz bestimnmt. Am Ende wird der Kontinent angelsächsischer sein in seinen Wirtschaftsprinzipien.

Ich persönlich hoffe, Europa geht dabei nicht zu weit. Sonst werden bald enttäuschte junge Amerikaner nach Deutschland pilgern und sich über die schlechte Wirtschaftslage in ihrer eigenen Heimat beschweren - Amerika müsse von Europa lernen: mehr Wettbewerb und Steuersenkungen.

Der Autor ist Leitartikler der \"Los Angeles Times\"

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