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Ein Dilemma: Schwächelnde Euro-Staaten sollen einerseits Reformen durchsetzen, aber gleichzeitig auch kurzfristig ihre finanzielle Schieflage beheben.

© dpa

Euro-Krise: Für Deutschland zahlt sich Sparen nicht mehr aus

Nie mehr Geld haben als die anderen - sonst ist es weg: Für die Deutschen ist das die Lehre aus der Krise. Die Regierung verhält sich deshalb durchaus klug, wenn sie viel Geld ausgibt. Denn in der EU zahlt sich Sparen nicht mehr aus.

Die Deutschen können nicht mit Geld umgehen. Das wusste während des amerikanischen Kreditbooms jeder Praktikant an der Wall Street. Den Deutschen konnte man damals alles verkaufen, vor allem den Landesbanken. Schrottimmobilien, Credit Default Swaps, irgendwelche Anleihen, die Deutschen kauften, ohne lange zu fackeln. „Der einzige Finanzbetrüger, dem die deutschen Banken im vergangenen Jahrzehnt nicht aufsaßen, war Bernie Madoff“, schreibt Michael Lewis in seinem Buch „Boomerang“. „Was sie auch anfassten, sie verloren riesige Summen.“

Vor der Euro-Krise haben die Deutschen griechische Anleihen gekauft, mit denen das Land lange Zeit über seine Verhältnisse leben konnte. Die Griechen haben Autos und Kühlschränke aus Deutschland gekauft, die sie sich gar nicht leisten konnten. Durch Schuldenschnitte und Zinssenkungen für die Griechen, aber auch durch Rettungsgelder für die Banken finanzieren die Deutschen am Ende ihre Exporte selbst.

"Für die Deutschen ist der Euro ein weiteres Holocaust-Denkmal"

Lewis, ein Amerikaner, vermutet, dass den Deutschen anderes wichtiger ist als Geld. Sie vertrauten den Wall-Street-Typen, sie vertrauten den Franzosen, die zugesagt hatten, dass Deutschland niemals für die Schulden der anderen Europäer aufkommen müsste, und sie vertrauten den Griechen, die die wahre Lage ihres Landes verschleierten, „weil die Kosten eines Irrtums gegenüber den Gewinnen nicht ins Gewicht fielen. Für die Deutschen ist der Euro mehr als eine Währung: Er ist die Möglichkeit, die Vergangenheit zu überwinden, und damit ein weiteres Holocaust-Denkmal“.

Deutsche Reiche verballern ihr Geld im Ausland

Russen verprassen Millionen für Motorjachten und Fußballvereine, vom Aldi-Besitzer gibt es nicht einmal ein Bild. Amerikaner kaufen sich Landhäuser auf Long Island oder bauen ihrer alten Uni eine Bibliothek. Deutsche Reiche verballern ihr Geld im Ausland oder überlassen es der Bank, die es im Ausland verballert. In Deutschland wird viel Geld verdient – und viel Geld verbrannt. Selbst der geschickte Manager Uli Hoeneß soll bei seinem Zocken in der Schweiz Millionen verloren haben. Die übrigen Deutschen zahlen bereitwillig Steuern und wählen eine Frau, die sich als „schwäbische Hausfrau“ präsentiert. Möglicherweise hat der totale Bankrott des 20. Jahrhunderts den Deutschen den Glauben an Geld und die Lust am Vermögen ausgetrieben. Und möglicherweise auch die Angst vor dem Verlust.

Die Energiewende als Luxus-Ausgabe

Im vergangenen Jahr sind die Steuereinnahmen von Bund und Ländern auf die Rekordsumme von 570,21 Milliarden Euro gestiegen. Das sind 18,4 Milliarden Euro oder 3,3 Prozent mehr als im Jahr 2012. Die Gelegenheit, die öffentlichen Finanzen zu sanieren, war noch nie so gut wie heute. Stattdessen beschließt die große Koalition eine Rentenreform, die mit 160 Milliarden Euro veranschlagt wird, und treibt eine Energiewende voran, die den durchschnittlichen Privathaushalt schon jetzt 260 Euro extra im Jahr kostet. Die Energiewende sei ein Luxus, den man sich leisten können muss, meinte der ehemalige britische Außenminister David Miliband kurz nach Fukushima bei einem Besuch in Berlin.

Früher hieß es: Die Deutschen können nicht mit Geld umgehen

Sparen sieht anders aus, und wieder ließe sich sagen: Die Deutschen können nicht mit Geld umgehen. Doch das stimmt nicht mehr. Denn die Lehre aus den Krisen der vergangenen Jahre lautet: Nie mehr Geld haben als die anderen – sonst ist es weg. Sparen ist schon in einer nationalen Demokratie kaum zu vermitteln, wenn der politische Gegner dem Wähler große Versprechungen macht. Doch in einer gemeinsamen Währungszone stellen solche Ungleichgewichte sogar das gesamte System infrage. Wer in Deutschland diese Steuereinnahmen verantwortungsvoll einsetzte und anfinge, den Haushalt zu sanieren, würde diese Ungleichgewichte nur noch weiter verstärken.

In diesem System verhält sich die deutsche Regierung also politisch durchaus klug, wenn sie Geld ausgibt, bevor es die anderen für sie tun. Und so lautet das neue Ziel der Bundesregierung offenbar: Besser dastehen als die anderen, damit wir ihnen sagen können, wo es langgeht; aber nicht so gut dastehen, dass wir dafür zahlen müssen. Die Devise, die lange galt, dass die Südländer in Europa ökonomisch an den Norden herangeführt werden sollen, wird damit umgekehrt: Deutschland wird griechischer. Politisch ist das sinnvoll, ökonomisch ist es absurd.

Vor allem wird sich jetzt zeigen, wir groß das Interesse der übrigen Europäer an Europa ist, wenn die Deutschen ihr Geld nicht mehr zur Bank tragen, sondern ausgeben. Dann ist es nämlich nicht mehr da.

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