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Was ist der richtige Weg aus der Euro-Krise? Der frühere Außenminister Genscher meint: Es muss viel Geld investiert werden.

© dapd

Euro-Krise: Investieren – und zwar alles, was geht

Was ist die richtige Antwort auf die Euro-Krise? Die politische Union und Wachstum in Europa. Dazu gehört auch, dass die Staaten gemeinsam haften und ihre Haushaltspolitik stärker verzahnen.

Das Ergebnis des G-20-Gipfels in Mexiko liegt noch nicht vor – was erforderlich wäre, kann man mit Händen greifen. Die Welt braucht Regeln für den globalen Finanzmarkt, nicht um den Markt zu bändigen, sondern um unverantwortlich handelnden Akteuren ihre Grenzen aufzuzeigen. So wie in der sozialen Marktwirtschaft nationale Märkte klare Rahmenbedingungen brauchen, so gilt das auch für den globalen Markt. Dass hier die Politik unverantwortlichen bis kriminellen Handlungsweisen hinterherläuft, ist offenkundig. Zu befürchten ist, dass diejenigen schweigsam sein werden, die besonders lautstark Deutschland zur Aktion auffordern und die besonders beredt über eigenes Regierungsversagen, vor allem über die von Bush II verursachte Hypothekenkrise, zu schweigen wissen.

Immerhin, der Vorteil von G 20 ist: Die ganze Welt ist versammelt und nicht nur – wie bei G7/8 – die westliche Staatenwelt plus Russland. Ein klares Urteil wird notwendig sein, auch über die zeitgerecht einsetzenden Umtriebe von US-Ratingagenturen bei der Herabsetzung Spaniens, das durch mutige Reformen längst den Pfad der Solidität beschritten hat.

Die wirkliche Arbeit beginnt nach dem Gipfel der G-20-Staaten bei dem Gipfel der Europäischen Union. Er muss aufarbeiten, was nach Einführung des Euro durch Fehlentscheidungen und Unterlassungen verursacht wurde. Eine Fehlentscheidung war etwa die Verletzung der Stabilitätskriterien mit allen Folgewirkungen, aber auch die Verweigerung von Kontrollmöglichkeiten für die EU-Kommission. Die Behauptung der Haushaltshoheit der nationalen Parlamente ist unglaubwürdig, wenn diese selbst Verursacher der Verletzung der Stabilitätskriterien sind. Zu den Unterlassungen gehört auch der Verzicht auf die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Ihr Beginn ohne eine kohärente Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik war vertretbar mit der Absicht, die dafür erforderlichen europäischen Zuständigkeiten und Regeln nicht irgendwann, sondern sehr bald in Angriff zu nehmen. Zu den Fehlern gehörte es, jene Länder aufzunehmen, die nicht – oder besser noch nicht – die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllten.

Tagesspiegel-Meinungschef über Merkels Euro-Rettungsstrategie:

Was heißt das für den G-20- und den EU-Gipfel? Man wird sich bei G20 einig werden, worüber man längst einig ist: dass die globale Wirtschaft, also auch die europäische, außer dem Stabilitätsflügel auch einen Flügel zur Wachstumsförderung braucht. Das setzt die Verständigung über die Fortentwicklung der EU zur Fiskal- und Wirtschaftsunion ebenso voraus wie mittelfristig zur politischen Union. Entscheidungen müssen jetzt fallen. Sie werden für die Finanzierungsseite gemeinsame Aktion, gemeinsame Haftung und Verantwortung möglich machen, die ohne diese Gemeinsamkeit in den Haushalts-, Wirtschafts- und Sozialgesetzgebungsfragen auf Dauer nicht möglich ist. Und nicht zu vergessen: Alle nur denkbaren Haushaltstitel des EU-Haushalts müssen zur Mobilisierung von Mitteln für schnell wirkende Investitionen benutzt werden.

Die Wahlen des letzten Sonntags haben den Boden für Fortschritte bereitet. Griechenland hat europäisch gewählt. Und Frankreich hat seinen Präsidenten nunmehr auch parlamentarisch mit den notwendigen Vollmachten ausgestattet. Ein Wahlmarathon mit vier Wahlgängen ist beendet. Jetzt müssen Berlin und Paris gemeinsam handeln. Sie können ihrer gemeinsamen Verantwortung nicht entrinnen. Sie sollten Warschau zur Mitwirkung einladen. Europa ist heute mehr als das Europa zur Zeit der Verträge von Maastricht. Die europäische Zukunft, auch die der Währungsunion, wird immer stärker auch von den aufstrebenden „Noch-nicht-Euro-Staaten“ bestimmt. Paris, Berlin und Warschau tragen eine besondere Verantwortung für die Ausübung und den Erfolg ihrer Schicksalspartnerschaft. Wird sie von den drei Ländern angenommen, dann muss auch nicht über eine deutsche Führungsrolle fabuliert werden. Das deutsche Bekenntnis zum europäischen Deutschland war keine befristete Selbstverpflichtung, sondern die Annahme einer historischen Verantwortung. Aber gehandelt werden muss: europäisch, in europäischer Solidarität.

Hans-Dietrich Genscher war von 1974 bis 1992 Außenminister der Bundesrepublik Deutschland.

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