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Entscheidungen mit Tragweite für Deutschland verkünden die Verfassungsrichter häufig. Doch nun könnte ihre Entscheidung auch schwerwiegende Folgen für ganz Europa haben.

© dpa

Euro-Rettung vor Gericht: Verteufelte Lage

Das Bundesverfassungsgericht steht vor einer heiklen Entscheidung: Stoppt es mit einer einstweiligen Verfügung den ESM-Vertrag, sind die Folgen unabsehbar.

Von Robert Birnbaum

Dem Bundesverfassungsgericht stehen schwierige Tage bevor. Wenn Bundestag und Bundesrat nächste Woche den europäischen Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM absegnen, müssen die Karlsruher Richter sozusagen in der Minute danach mit einem Antrag auf Einstweilige Anordnung gegen beide Vorhaben rechnen. Beim Fiskalpakt ist das nicht brisant, er soll ohnehin erst zum nächsten Jahr in Kraft treten. Der ESM aber soll ab dem 1. Juli über Problemländern der Euro-Zone seinen Schutz ausbreiten. Und das ist bekanntlich keine bloße Theorie: Der Antrag Spaniens ist schon angekündigt, Zypern ist der nächste Kandidat, bei Italien weiß es keiner so genau.

Damit könnten die Richter in eine verteufelte Lage geraten. Sie müssen nämlich abschätzen, welche Folgen eine Einstweilige Anordnung hätte. Einerseits: Ist der ESM-Vertrag erst mal völkerrechtlich in Kraft und gar konkret im Einsatz, dann dürfte es schwer, wenn nicht unmöglich sein, ihn nachträglich zu kündigen. Andererseits: Stoppt das Gericht bis auf Weiteres die Ratifizierung, drohen womöglich Folgen bis hin zum Euro-Crash. Ob der vorläufige Rettungsschirm EFSF notfalls noch so lange hält, wie die Rechtsfindung in Deutschland dauert – man kann es nur hoffen.

Dass das Gericht diese Abwägung nicht quasi über Nacht treffen will, ist nur zu verständlich, selbst wenn Schaden schon in der Bedenkfrist eintreten kann, die sich die Richter beim Bundespräsidenten ausbedungen haben. Die Politik aber muss sich die Frage gefallen lassen, ob die Gefahr nicht absehbar war. Schließlich hat sich noch bei jedem Gesetz zum Euro jemand gefunden, der dagegen in Karlsruhe klagt.

Die Regierung hat sich darüber anscheinend wenig Sorgen gemacht – sonst hätte sie alles daransetzen müssen, den ESM früh durchs Parlament zu bringen. Bei der staatstragenden Opposition ist offenbar auch keiner über das Problem gestolpert – schließlich wollen SPD und Grüne den ESM ebenso wie den Fiskalpakt, allem Theaterdonner rund um Vorbedingungen für ein Ja zur Euro-Schuldenbremse zum Trotz. Das Verfassungsgericht steht vor der vielleicht folgenreichsten Entscheidung seiner Geschichte. Die Politik kann ihm die nicht abnehmen. Trotzdem trägt sie am Ende die Verantwortung.

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