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Meinung: Euro: Zu billig, um wahr zu sein

Gute Nachrichten sind das: Weil der Euro kommt, wird vieles billiger. Seit gestern senken die Branchenriesen im Einzelhandel, Aldi, Lidl und Plus, die Preise.

Gute Nachrichten sind das: Weil der Euro kommt, wird vieles billiger. Seit gestern senken die Branchenriesen im Einzelhandel, Aldi, Lidl und Plus, die Preise. Statt die Einführung des Euro zu heimlichen Preiserhöhungen zu nutzen, bahnt sich im deutschen Supermarkt ein Preiskampf an. Vor allem Lebensmittel werden zunächst billiger. Das wird auch die mit dem neuen Geld versöhnen, die bis gestern fürchteten, dass ihnen der Euro nur Nachteile bringt.

Zum Thema Online Spezial: Euro: Das neue Geld! Euro-Countdown: Die Serie im Tagesspiegel Euro-Memory: Passende Euro-Pärchen finden Ted: Der Euro - mehr Vor- oder mehr Nachteile? Auch die Handelsketten, die noch vor einer Woche gehofft hatten, sie könnten jetzt die Preisschraube nach oben in Bewegung setzen, werden ihre Preise abrunden müssen. Sie werden sich von der Vorstellung verabschieden, dass sie in diesem Jahr wieder Geld verdienen könnten mit dem Verkauf von Lebensmitteln. Denn die meisten Händler verdienen zurzeit wenig oder gar nichts am Verkauf von Kaffee und Mehl. Sie arbeiten zu teuer für das Geld, das sie an der Ladenkasse bekommen: Sie haben zu viele Produkte im Sortiment oder zu viele Läden. Sie haben zu viel Verkaufsfläche oder Personal. Sie führen mehr Frischprodukte oder kostspielige Bio-Marken. Sie haben Fehler gemacht.

Mitleid muss man mit ihnen nicht haben. Denn der Wettbewerb im Einzelhandel nutzt dem Verbraucher - und er spiegelt seine Prioritäten: Weniger als in Deutschland muss in Europa niemand für seine Lebensmittel bezahlen. Gerade einmal 13 Prozent seines verfügbaren Einkommens investiert der Deutsche in Lebensmittel. Und niemand sei zur Zeit bereit, mehr Geld dafür auszugeben, sagen die Einzelhändler.

Am Ende des Preiskampfes jedoch werden ein paar Unternehmen nicht mehr existieren. Es wird weniger Läden geben. Oder sie werden anderen Händlern gehören. Dann wird wieder Geld verdient, auch mit dem Verkauf von Lebensmitteln. Die Preise werden steigen. Dann ist es vorbei mit den spottbilligen Lebensmitteln in Deutschland. Und war das nicht politisch genauso gewollt?

Vor ziemlich genau einem Jahr ist ein Landwirtschaftsminister in Deutschland zurückgetreten. Karl-Heinz Funke stand wie kein anderer in der rot-grünen Regierung für konventionelle Landwirtschaft, für Massentierhaltung und für das, was auf dem Höhepunkt der deutschen BSE-Krise als schlechte Qualität galt. Renate Künast übernahm das Amt. Sie rief die Agrarwende aus. Sie erklärte den Verbrauchern, dass sie von nun an gesündere Lebensmittel bekommen würden. Und sagte ihnen, dass die dann allerdings mehr kosten würden.

Der Schluss lag in dem Moment auch zu nahe: Weil in Deutschland die Lebensmittel so billig sind, können sie nicht wirklich gut sein. Qualität hat ihren Preis. Das war das neue Bekenntnis der Agrarministerin. Damals haben alle brav genickt und sich und ihrer Familie geschworen, von nun an auf die Qualität zu achten. Und dafür auch mehr zu bezahlen - oder einfach weniger zu essen. Doch dann beruhigten sich die Gemüter wieder. Gerade weil Renate Künast neues Vertrauen ins Fleisch schaffte, waren alle Schwüre bald vergessen. Die Verbraucher akzeptieren das Künastsche Axiom - billig = schlecht - nicht.

Zu Recht: Jeder hat das Recht darauf, vernünftige Lebensmittel zu bekommen, zu welchem Preis auch immer. Die Qualität der Lebensmittel darf nicht schlechter werden, wenn sie billiger werden. Nur von den schönen Vorstellungen einer umweltgerechten Landwirtschaft in kleinen und mittleren Unternehmen, artgerechter Verarbeitung und schonender Zubereitung in handwerklichen Betrieben müssen sich die Verbraucher dann auch verabschieden.

Unter dem Druck der Wirtschaftskrise kehrten die Verbraucher zurück zu ihrer alten Gewohnheit: Sie wollen viel, sie wollen billig, sie wollen gut, sie wollen alles. Aber sie werden es - Fluch der guten Vorsätze vom letzten Jahr - nicht bekommen, jedenfalls nicht so, wie es heute ist. Künasts Reformen, strengere Auflagen und größere Käfige, werden das Angebot verändern und verteuern. Und der Preiskampf im Einzelhandel wird irgendwann Sieger hervorbringen, die sich vom Verbraucher zurückholen, was sie ihm jetzt im Preiskampf schenken.

Gute Nachrichten sind das: Der Euro macht nicht alles teuer, das ist ein schönes Gefühl. Aber es wird ein vorübergehendes sein.

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