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Angela Merkel setzt auf einen strikten Schuldenabbau.

© dpa

Eurokrise: Sparen in den Niedergang

Das schmutzige Geheimnis des Kapitalismus ist, dass entweder der private oder der staatliche Sektor Schulden machen muss, wenn die Wirtschaft prosperieren soll. Wenn aber alle EU-Staaten gleichzeitig sparen, ist der Rückfall in die Rezession programmiert - und damit weitere Steuerausfälle und Defizite.

Immerhin, nun haben sie wieder miteinander gesprochen. Das gestrige, um eine Woche verschobene Spitzentreffen des französischen Staatspräsidenten mit der deutschen Kanzlerin zeigt an, dass die laufende Krise den beiden Führungsstaaten Europas keine Zeit lässt, sich mit Animositäten über nationale Befindlichkeiten aufzuhalten. Doch ungeachtet der von Nicolas Sarkozy und Angela Merkel inszenierten neuen Gemeinsamkeit bleibt gleichwohl ein tiefer Dissens über die richtigen Antworten auf das Schuldenproblem der Eurostaaten.

Geht es nach der Merkel-Regierung, dann gibt es nur eine Lösung: Alle Euroregierungen sollen schnellstmöglich die Staatsdefizite auf das im Stabilitätspakt vereinbarte Niveau herunterfahren. Anschließend, so die Annahme, werden die Anleger an den Kapitalmärkten wieder Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Euroländer gewinnen, und alles wird gut. Doch dieses Konzept kann nicht funktionieren, weil es grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge ignoriert.

Denn die zentrale Ursache für die Ausweitung der Staatsverschuldung ist, dass die Krise Unternehmen und private Haushalte ohnehin zum Sparen zwingt. In der Folge sind Nachfrage, Gewinne und Investitionen auf breiter Front eingebrochen und mit ihnen die Steuereinnahmen. Das schmutzige Geheimnis des Kapitalismus ist aber, dass entweder der private oder der staatliche Sektor Schulden machen und mit diesem Geld in neue Produktion und Infrastruktur investieren muss, wenn die Wirtschaft prosperieren soll. Darum war es richtig, mit kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen die Krisenfolgen auszugleichen. Wenn nun aber alle 27 EU-Staaten gleichzeitig sparen, während Unternehmen und Verbraucher nach wie vor das Gleiche tun, dann ist der Rückfall in die Rezession programmiert und damit weitere Steuerausfälle und Defizite.

Hinzu kommt, dass Deutschland noch immer weit mehr in die übrigen Eurostaaten exportiert, als von dort hierzulande gekauft wird. Das geht aber nur, solange die Defizitländer ihre Verschuldung ausweiten. Merkels Forderung, diese sollten eben nach deutschem Vorbild die Löhne senken und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, zeugt darum von Ignoranz. Wenn alle Eurostaaten gleichzeitig Exportüberschüsse erwirtschaften wollen, während die Nachfrage nach ihren Produkten in Amerika und Asien stagniert und die Marsianer einfach nichts kaufen wollen, dann führt dies geradewegs in die Deflation – eine Politik, die Japan einst eine Dekade des Niedergangs bescherte.

Zu Recht reklamieren daher Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde und mit ihr führende Ökonomen im In- und Ausland, dass insbesondere Deutschland die Binnennachfrage drastisch steigern und alles unterlassen sollte, was zur weiteren Senkung der Investitionen führt. Nur mit Deutschland als Konjunkturmotor haben die überschuldeten Griechen, Spanier, Portugiesen und Iren überhaupt eine Chance, sich aus der Krise herauszuarbeiten. Denn diese Staaten müssen ihre Verschuldung mindern, weil sie sonst die Zinsforderungen ihrer Gläubiger nicht mehr bedienen können.

Deutschland dagegen, das zeigen die Zinsen für Bundesanleihen von nur 2,4 Prozent, hat durchaus Spielraum. Wenn die Merkel-Regierung sich ihrer Verantwortung für die Stabilität des Euro stellen will, muss sie daher endlich das Problem der mangelnden Binnennachfrage angehen. Dazu gehört nicht nur der Verzicht auf Kürzungen bei den Einkommen jener, die jeden Euro für ihren Lebensunterhalt ausgeben müssen, und die Einführung flächendeckender Mindestlöhne, die dem Lohndumping ein Ende machen. Zugleich bedarf es der Ausweitung all jener Ausgaben, die, wie etwa die Förderung der Altbausanierung, ein Vielfaches der Kosten an Investitionen auslösen und sich so allein über die Mehrwertsteuer selbst finanzieren. Würden zugleich die Steuern auf Erbschaften, Vermögen und Grundbesitz auf das in Frankreich und Großbritannien übliche Niveau gehoben, könnten die Mehreinnahmen sogar das Defizit mindern, ohne die Wirtschaft zu bremsen. Blindes Sparen dagegen führt in den Niedergang.

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