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Meinung: „Europa wird heute zum Versuchslabor“

Vor dem Weltsicherheitsrat in New York plädierte am 14. Februar 2003 ein beredter und eleganter Außenminister gegen den bevorstehenden Irakkrieg im Namen eines „alten Landes, Frankreich, und eines alten Kontinents, Europa, die Kriege, Besetzung und die Barbarei erlebt haben“.

Vor dem Weltsicherheitsrat in New York plädierte am 14. Februar 2003 ein beredter und eleganter Außenminister gegen den bevorstehenden Irakkrieg im Namen eines „alten Landes, Frankreich, und eines alten Kontinents, Europa, die Kriege, Besetzung und die Barbarei erlebt haben“. Das Pathos der Rede für eine diplomatische und multilaterale Konfliktregelung erntete weltweiten Applaus. Dominique de Villepin machte sich mit seinem UN-Auftritt einen Namen als Staatsmann. Lange hatte er als graue Eminenz gewirkt, zuerst als Kabinettschef von Alain Juppé und danach als engster Berater von Staatspräsident Jacques Chirac.

Dominique Marie François René Galouzeau de Villepin kam 1953 als Sohn eines französischen Senators und einer Verwaltungsrichterin in Marokko auf die Welt und lebte in seiner Jugend in New York und Venezuela. Obwohl er nach seinen Studium der Politischen Wissenschaften und dem Abschluss an der Verwaltungshochschule ENA Chiracs gaullistischer Partei beitrat, stellte er sich nie einer Volkswahl. Politische Praxis sammelte er als Diener im Schatten, danach als Minister, ab 2002 zuerst als Chef der Diplomatie und im Herbst 2004 als Innenminister.

Nach dem Debakel beim Referendum über die EU-Verfassung im letzten Mai opferte Chirac seinen bisherigen Premier, Jean-Pierre Raffarin, und spielte de Villepin als letzte Trumpfkarte aus. Keiner kann sonst noch auf der Rechten dem ehrgeizigen und omnipräsenten Innenminister Nicolas Sarkozy Paroli bieten. Beide gelten nun als potenzielle Nachfolger von Chirac. Ihr Duell ist umso pikanter, als Sarkozy offiziell als Innenminister zwar (bloß) die Nummer zwei der Regierung de Villepin ist, sich aber als Parteichef der regierenden UMP ohne falsche Bescheidenheit zu allen Fragen äußert. In Wirklichkeit unterscheiden sich die beiden weniger im Inhalt ihrer Politik als im Stil. Sarkozy antwortet auf die Angst seiner Landsleute vor dem Niedergang, de Villepin verkörpert den französischen Traum von unvergänglicher Größe.

Am Tag nach dem Nein der Franzosen beim Verfassungsreferendum schrieb er ein begeistertes Bekenntnis zur Fortsetzung der politischen Integration. Vermutlich wird er heute in seiner Rede an der Humboldt-Universität in Berlin ähnliche Töne anschlagen wie damals: „Europa ist heute das Versuchslabor der Welt für neue Ideen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Lassen wir sie sich entfalten.“

Rudolf Balmer

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