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Welcher Pappkamerad wird es? Figuren italienischer Politiker.

© dpa

Europäische Wahl in Italien: Eine Wahl, doch keine Chance

Nationale Wahlen waren einmal in Europa, meint Andrea Dernbach. Die Wahl, vor der Italien an diesem Wochenende steht, ist eine europäische. Gleichzeitig könnten die Italiener auch ihren Unmut über die herrschende Alternativlos-Politik zum Ausdruck bringen.

Es gibt keine nationalen Wahlen mehr in Europa, und auch die Wahl, vor der Italien an diesem Wochenende steht, ist eine europäische. Die Väter und Mütter des Europa-Gedankens hätte diese Art der Europäisierung freilich kaum gefreut. Der Blick, der über die Grenzen geht, ist voller Angst und Zorn. Der Norden des Kontinents fürchtet einen Süden, der für nichts als Schulden und Korruption zu stehen scheint, der Süden sieht sich von Europas Norden geknebelt, von Forderungen nach „Reformen“, die inzwischen jedes Kind so entziffert, wie sie in der Wirklichkeit aufschlagen: als Abbau öffentlicher Güter und Infrastruktur, höhere Steuern und Abgaben, beschnittene Lebenschancen. Italiens Zwischenpremier Mario Monti hat dem Land ein seriöseres Image im Ausland verschafft, seine Landsleute können sich dafür im wahrsten Sinne des Wortes nichts kaufen, weniger denn je. Die Familieneinkommen schrumpfen weiter, und die Jugendarbeitslosigkeit ist sogar drastisch um etwa zehn Prozentpunkte auf rund 38 Prozent gestiegen.

Es muss daher nicht wundern, wenn ausgerechnet jene Politiker immer mehr Boden gutmachen, die am lautesten gegen das Diktat – in Italien ein deutsches Wort – von jenseits der Alpen wettern, aus Brüssel, Paris, Berlin: Der Blogger und Schauspieler Beppe Grillo und der Untote der römischen Politik, Silvio Berlusconi. Er, einer der großen Täter in der Krise seines Landes, sammelt Punkte mit unhaltbaren Steuersenkungsschwüren, aber auch damit, seinen Nachfolger Mario Monti als Angela Merkels Marionette hinzustellen.

Den satten Abstand von 20 Prozentpunkten zur Mitte-links-Allianz um Pierluigi Bersani hat er so zuletzt auf unter fünf Punkte drücken können. Und die Westerwelles, Polenz’, Schulz’, die in diesen Tagen den Zeigefinger recken, sind leider seine besten Wahlhelfer. Die mal offenen, mal subtileren deutschen Belehrungen ans italienische Wahlvolk, wen es gefälligst nicht zu wählen habe, kann Berlusconi perfekt zum Beweis umbiegen, dass genau er die einzige Alternative zu einem Europa der Deutschen sei.

In Europa herrscht Alternativlos-Politik

Dabei weiß auch, wer ihn wählt, dass das nicht stimmt. Als Premier hatte Berlusconi weder Statur noch Mittel gegen Merkel und die Märkte. Schließlich hat ihn, um mit Italiens Nobelpreisträger Dario Fo zu reden, ein Lächeln begraben, das Lächeln Sarkozys und der Kanzlerin auf einer Pressekonferenz. Stimmen für den Cavaliere oder auch für Grillos halblinkspopulistische Agenda werden keine Alternative öffnen, weil es keine gibt zu dieser Wahl. Die „Spar“-Pakete sind geschnürt oder fest versprochen von denen, die von deutschen Wahlmitkämpfern das Gütesiegel „seriös“ aufgeklebt bekommen. Wie zuvor Griechen und Portugiesen weiß auch Italiens Volk, dass wesentliche Teile der Volkssouveränität mindestens narkotisiert sind.

Unsere italienischen Miteuropäer könnten am Sonntag und Montag ihr Unbehagen über die in Europa herrschende Alternativlos-Politik zum Ausdruck bringen, und damit womöglich Europas nördlicher Mitte einen Weckruf schicken. Wie alternativlos ist es wirklich, dass Griechenland verarmt, dass italienische Mittelklassefamilien sich keinen Restaurantbesuch mehr leisten können, geschweige denn einen deutschen Mittelklassewagen? Und der Süden wird langsam von einem Absatzmarkt zum Exportgebiet, aus dem Menschen ohne Hoffnung auf ein besseres, oft einfach menschenwürdiges Leben nach Norden ziehen. Vielleicht werden wir am Montagabend mehr darüber begriffen haben.

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