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Aus Liebe zur Revolution. Die schönen Seiten der Protestbewegung auf dem Puerta del Sol in Madrid.

© AFP

Europas Jugend: An den Grenzen der Belastbarkeit

In Spanien ist jeder zweite Jugendliche arbeitslos. In Griechenland, Italien, Irland und Portugal sieht es nicht viel besser aus. In Deutschland schon. Aber die Glückseligkeit trügt. Europa hat ein massives Problem.

Europa bekommt seine neuen Grenzen aufgezeigt. Die der eigenen Belastbarkeit. Da sind die enormen Staatsschulden, die einige Länder verursachen, aber alle belasten und bis zur politischen Handlungsunfähigkeit treiben. Und da ist eine frustrierte Jugend, die Europa zu verlieren droht. Denn die Freizügigkeit, die 50 Jahre nach dem Mauerbau ein Grund zur Freude ist, läuft Gefahr, nur noch hohler Selbstzweck zu sein, weil viele junge Menschen feststellen müssen: Europa hat keinen Job mehr für mich. Der Jugend gehört die Zukunft? Wer schon keine Gegenwart hat, wird daran erst recht zweifeln.

Über fünf Millionen Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren sind in Europa mittlerweile ohne Arbeit. Das ist jeder fünfte junge Mensch. Besonders drastisch ist die Lage in Spanien. Dort ist fast jeder Zweite in dieser Altersklasse ohne Erwerbseinkommen. In Griechenland sind es fast 40 Prozent. Und auch in den anderen Krisenstaaten Portugal, Irland und Italien sieht es kaum besser aus. Und es sind in diesen Ländern nicht nur die schlecht aus- und gebildeten Menschen, die keinen Job finden, es sind zu einem großen Teil Akademiker.

Deutschland kann sich erst mal außen vor wähnen. Beinahe sagenhaft mutet die deutsche Quote an. „Nur“ 9,1 Prozent beträgt die Jugendarbeitslosigkeit, weit unter EU-Durchschnitt. Das gut funktionierende Duale Ausbildungssystem und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sollen dafür verantwortlich sein. Doch es ist nur eine statistische Glückseligkeit. Denn hierzulande sind es nicht die Zahlen, die schockieren, sondern die Verhältnisse. 2010 war in Deutschland jeder Dritte der jungen Erwerbstätigen „atypisch“ beschäftigt. Das heißt, sie hatten keinen unbefristeten, vollen, sozialversicherungspflichtigen Job, sondern arbeiten befristet, lange ohne Festanstellung und meist zu einem niedrigen Gehalt.

Das Tragische an dieser Situation aber ist die Hilflosigkeit. Das Gefühl, das eigene Leben nicht mehr in der Hand zu haben. Dies hat in Spanien, Griechenland und – vielleicht – auch in England die Jugendlichen auf die Straßen getrieben. Dabei ist die Ausgangslage doch so gut. Europa ist so friedlich wie seit Jahrzehnten nicht. Das Internet gehört zum Leben wie die Muttermilch. Das macht geistig mobil, es verschafft einen enormen Wissens- und Informationsvorsprung. Aber es gibt immer weniger Möglichkeiten, diese Vorteile auszuspielen.

Setzt sich dieser Trend fort, bekommt Europa ein enormes Problem. Das Vertrauen in die Politik, die zwar keine Arbeitsplätze schaffen kann, aber die Rahmenbedingungen dafür, wird schwinden. Genau wie das Zutrauen in die Wirtschaft, die sich internationalem Wettbewerb stellen muss, aber eine europäische Verantwortung trägt. Europa kann das Problem sicher nicht sofort lösen, aber schnell verschärfen, indem es glaubt, seine Schuldenkrise mit Einsparungen allein im Bildungs- und Jugendbereich zu bewältigen. Es droht eine dauerhafte Spaltung. Nicht nur in „Triple A“- und „Triple Z“-Staaten, sondern in eine kleine, wohlhabende Elite, die es früh in einen Job geschafft hat und den Anforderungen moderner Gesellschaften gerecht werden kann, und in eine wütende Masse.

Deutschland ist nicht außen vor. Außer es verlässt sich auf die demografische Entwicklung: Denn wo keine Jugend ist, ist auch keine Arbeitslosigkeit – aber erst recht keine Zukunft.

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