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Schlümpfe für Schland: Süßigkeiten und Parteifähnchen der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" zur Europawahl.

© dpa

Europawahl 2014: Sigmar Gabriel kann sich über den Erfolg der AfD freuen

Die AfD bereitet vor allem Angela Merkel Sorgen. Dagegen könnte SPD-Chef Sigmar Gabriel der Erfolg der Rechtspopulisten gelegen kommen: Denn die Union hat jetzt ein Problem.

Auch am Tag nach der Wahl war Bernd Lucke um Seriosität bemüht. Der Triumph der Alternative für Deutschland ist vor allem sein ganz persönlicher Trumpf. Trotzdem verzichtete der Parteichef auf markige Siegesworte. Lucke weiß ganz genau, die Deutschen mögen so etwas nicht. Vor allem dann nicht, wenn eine Partei unter Rechtspopulismusverdacht steht.

Eher niedlich sprach Lucke stattdessen vom Frühling in Deutschland, der eine neue politische Blume erblühen lasse. Zudem legte er großen Wert auf die Feststellung, seine Partei habe nichts mit rechtsextremen und nationalistischen Parteien wie dem Front National in Frankreich, der niederländischen Freiheitspartei von Geert Wilders oder den britischen Nationalisten von der United Kingdom Independent Party (Ukip) zu tun. Auch seine Kampfansage an CDU und CSU versteckte Lucke in eher subtilen Worten. Er sprach von der AfD als „neuer Volkspartei“, kürte die britischen Konservativen zu seinem politischen Vorbild und kann sich sogar Koalitionen mit der SPD vorstellen.

Die AfD hat am Sonntag Parteiengeschichte geschrieben. Es war zwar keine Überraschung mehr, dass die Partei ins Europaparlament eingezogen ist. Die 7 Prozent für die Eurokritiker waren von den etablierten Parteien seit Monaten eingepreist. Entsprechend gelassen reagierte das politische Berlin. Alle Bemühungen, den Erfolg der AfD im Wahlkampf einzudämmen, waren wenig erfolgreich. Weder gelang es der CDU, die AfD totzuschweigen, noch gelang es der CSU sich anzubiedern. Alle Versuche, die AfD in die Rechtsaußen-Ecke zu rücken, verfingen nicht. Als politisches Feindbild für bürgerliche Wähler eignet sich diese Partei nicht.

Die AfD wird sich wohl dauerhaft etablieren

Vor allem bei CDU und CSU sollten jedoch spätestens nach diesem Wahlsonntag die Alarmglocken schrillen. Der Einzug der AfD in das Europaparlament wird das bundesdeutsche Parteiensystem verändern, die machtpolitischen Gewichte zwischen den Parteien werden sich verschieben. Die Unionsparteien sollten nicht darauf setzen, dass sich die AfD von selbst wieder zerlegt, so wie zuletzt die Piratenpartei.

Natürlich erinnert beim Aufstieg der AfD manches an die Republikaner. Die waren vor 25 Jahren mit dem populären Fernsehmoderator Franz Schönhuber an der Spitze und mit 7,1 Prozent in das Europaparlament eingezogen. Die Republikaner waren in den Jahren 1989 bis 1992 zugleich die bislang letzte Partei, die der Union bundesweit von rechts Konkurrenz machen und vor allem der CSU viele Wähler abjagen konnte. Doch die Republikaner zerlegten sich schnell, zerrieben sich an inneren Widersprüchen und scheiterten an der Unberechenbarkeit ihres Parteichefs.  

Die AfD jedoch ist keine Chaostruppe, an deren Spitze Politamateure und Hasardeure im Stile eines Franz Schönhuber oder eines Ronald Barnabas Schill stehen.

Im Gegenteil: Die AfD hat einen hoch professionellen Wahlkampf geführt. Sie schickt ins Europaparlament vorzeigbares Personal und sie hat eine Agenda, die weit über Europa und über die Eurokritik hinausreicht. Die AfD versucht dabei sehr gezielt, die Union mit einer klassisch rechtskonservativen Agenda unter Druck zu setzen, mit Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Haushaltsdisziplin oder klassischer Familienpolitik. Sie will Einwanderung nach Deutschland nicht stoppen, sondern steuern. Und sie setzt auf mehr direkte Demokratie. Die radikalen und islamophoben Töne, die in dieser Partei auch zu hören sind, hat die Parteiführung bislang erfolgreich eingehegt. Vieles in der AfD erinnert nicht an die Republikaner, sondern an die alte rheinische CDU sowie deren konservative Wurzeln. Es scheint deshalb auch kein Zufall zu sein, dass vor allem viele Rentner von der Union zur AfD übergelaufen sind.

Erfolg bei Kommunalwahlen

Hinzukommt: Der Sonntag hat die AfD nicht nur ins Europaparlament geführt, sondern zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg oder in Brandenburg in viele Kommunalparlamente. In so unterschiedlichen Städten wie Mannheim, Essen oder Frankfurt/Oder sitzt die Partei jetzt in Stadtparlamenten.

Die AfD ist also auch an der politischen Basis erfolgreich. Strategisch hat die AfD längst den Blick auf die drei Landtagswahlen im Herbst gerichtet. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird sich ihr Vormarsch fortsetzen. In allen drei Ländern schnitt die Partei am Sonntag stärker als im Bundesschnitt ab. In Sachsen, wo am 31. August ein neuer Landtag gewählt wird, kam die AfD sogar auf 10,1 Prozent.

In Sachsen könnte sich somit bereits in drei Monaten das strategische Dilemma der Christdemokraten angesichts des Aufstiegs der AfD offenbaren. Seit fünf Jahren regiert die CDU dort zusammen mit der FDP. Doch der Koalitionspartner liegt am Boden, auf die Liberalen als Mehrheitsbeschaffer kann Ministerpräsident Stanislaw Tillich nicht mehr setzen. Kein Wunder also, dass schon am Montag die ersten christdemokratischen Stimmen zu hören waren, für die Koalitionen mit der AfD kein Tabu sind.

Die SPD hat links mehr Spielraum gewonnen

Im CDU-Präsidium in Berlin wurde solchen Überlegungen sofort eine klare Absage erteilt. Denn solange die AfD von einer Rückkehr zur D-Mark träumt, die Finanzhilfen für Griechenland stoppen und im Ukraine-Konflikt auf der Seite Putins steht, solange wird sich die Union von der AfD fernhalten müssen.

Kurzfristig wurde die Große Koalition somit auch durch den Erfolg der AfD bei der Europawahl gestärkt. Aber mittelfristig könnten CDU und CSU in ein machtstrategisches Dilemma geraten, das an das Dilemma der SPD mit den Grünen in den 1980er Jahren erinnert, als sich die Öko-Partei auf Kosten der SPD etablierte. Es dauerte mehr als ein Jahrzehnt bis die Grünen aus Sicht der SPD endlich koalitionsfähig waren, bei der PDS dauerte es anschließend noch länger.

Während CDU und CSU sich nun nach rechts abgrenzen müssen, hat die SPD dadurch nach links mehr Spielraum gewonnen. In Thüringen könnte es nach der Landtagswahl am 14. September den ersten rot-rot-grünen Probelauf geben. Sogar mit einem linken Ministerpräsidenten an der Spitze. Angela Merkel und ihre Partei haben seit Sonntag ein Problem. Vielleicht heißt der strategische Gewinner der Verschiebungen im bundesdeutschen Parteiensystem deshalb am Ende Sigmar Gabriel.

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