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Meinung: Eva Herman und der Apfelkuchen-Kompromiss

Pascale Hugues, Le Point

Vermischen Sie 200 Gramm Mehl mit 100 Gramm Butter und einer Messerspitze Salz. Fügen Sie Wasser hinzu, kneten Sie alles gut durch, legen Sie eine Backform damit aus und bedecken Sie den Teig mit Apfelschnitzen: So einfach und erfolgreich ist das Rezept, verfolgt man die Debatte über die Gleichberechtigung, die Deutschland gerade spaltet. „Karriere und Küche werden nach Plan koordiniert“, sagt Eva Herman, „die Betreuung von Kindern arrangiert und gemanagt. In immer weniger Haushalten wird regelmäßig oder sogar zeitaufwendig gesund gekocht.“ Im Kern heißt das: Die berufstätige Frau interessiert sich mehr für den raschen Aufstieg auf der Karriereleiter und ihre „egoistische Selbstverwirklichung“ als für die Kunst des Kuchenbackens. Diese Reaktionärin, so das gegnerische Lager der arbeitenden Frauen, die sich angegriffen fühlen, will die brave Mutti in ihrer Rüschenschürze aus den 50er Jahren zu neuem Leben erwecken und uns wieder an den Backofen fesseln! Die Moderatorin Charlotte Roche hat sogar ein neues Kriterium für die Suche nach dem idealen Mann gefunden: „Ich verliebe mich immer in Männer, die besser Apfelkuchen backen können als ich“, sagt sie.

Ich bin nicht besonders mutig und werde mich hüten, bei einem so explosiven Thema Stellung zu beziehen. Wer sich in Deutschland zur Rolle der Frau äußert, wagt sich auf vermintes Gelände, das von Ideologien beherrscht wird. Man muss sich für eine Seite entscheiden. Da wären zum einen diejenigen, die sich über die Tagesschausprecherin mokieren, wie sie da so blond und adrett daherkommt, im pastellrosa Kostümchen und dazu passendem Lippenstift und Nagellack. Zum anderen wird Eva Herman von einer neurotischen Horde entweiblichter, ausgelaugter und müder Feministinnen verdammt. Die Frauen bekämpfen sich bis aufs Messer.

Mich schockiert die unglaubliche Gewalt dieser zum großen Teil berechtigten Diskussion. Eva Hermans Äußerungen sind „zum Knochenkotzen“, so die Schriftstellerin Karen Duve. Alice Schwarzer droht sogar mit dem Mutterkreuz und der Keule aus der Steinzeithöhle. Eva Herman darf nicht mehr die Tagesschau moderieren. Wollte man alle Journalisten aus dem Fernsehen verbannen, die moralisierende und wenig überzeugende Abhandlungen über den Zustand des Landes veröffentlichen, so würden auf den Bildschirmen nicht mehr viele übrig bleiben. Warum die Aufregung? Hat Eva Herman ein Tabu gebrochen? Hat sie einen der letzten Träume angekratzt, die Deutschland nach dem Krieg noch geblieben sind: den von der absoluten Symmetrie zwischen Mann und Frau? Einen Apfelkuchen backst du, den anderen backe ich.

Eine derartige Polemik wäre in Frankreich undenkbar, da bin ich mir völlig sicher. Die weitaus meisten Französinnen sind berufstätig, und nach den Irinnen führen sie die Geburtenrate in Europa an. Schon lange spielt die Vichy-Mutter in der öffentlichen Diskussion keine Rolle mehr als Garantin der drei Grundwerte Arbeit – Familie – Vaterland. Der militante Feminismus ist in den 70er Jahren untergegangen. Die Emotionen haben sich gelegt.

Und wenn es nun in Deutschland jenseits der vereinfachenden Schwarzweiß-Zeichnung von zurückgebliebener Mutti einerseits und neurotischer Emanze andererseits eine pragmatische Grauzone gäbe, in der die meisten Frauen ihr Leben organisieren? Ein banaler Kompromiss zwischen Aktenkoffer und Apfeltorte?

Wenn ich dieser Tage mit dem Rad durch Berlin fahre, kommt mir unwillkürlich ein Chanson des französischen Sängers Claude Nougaro auf die Lippen:

„Noch mehr als im Schlafzimmer liebe ich dich in der Küche.

Nichts Schöneres als die Hände einer Frau im Mehl,

Wenn du Apfeltorte backst, Puppe, bist du göttlich.

Außer meinen Händen auf

deiner Brust

ist nichts so sanft wie die Hände einer Frau im Mehl.“

Gott sei Dank versteht mich keiner. Womöglich würde man mich sonst wegen Sexismus mitten auf dem Potsdamer Platz steinigen.

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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