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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer Regierungserklärung am Donnerstag im Bundestag.

© dpa

Ex-Minister Friedrich kritisiert Merkel: Mehr als nur Rache

Hans-Peter Friedrich von der CSU stellt den Kurs der Merkel-CDU infrage. Die Kanzlerin schuldet nicht nur ihm ein paar Antworten. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan Haselberger

Es gehört in der Union, dieser geräuschlosen Machtmaschine, nicht zum guten Ton, den Kurs der Führung infrage zu stellen – und wer es dennoch tut, muss mit Nachteilen für Ansehen und Karriere rechnen. Im Zweifel Klappe halten – das galt schon zu Zeiten des Langzeitkanzlers Helmut Kohl und daran hat sich auch unter seiner Nachfolgerin Angela Merkel nichts geändert. Wozu auch streiten, solange die Kanzlerin satte Mehrheiten in den Umfragen und am Wahltag garantiert?
Es hat deshalb immer etwas Erfrischendes, wenn sich dann doch einer zu Wort meldet. Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) war zwischen den Jahren so frei; er macht Merkel persönlich für das Erstarken der sogenannten Alternative für Deutschland (AfD) verantwortlich. In der Union dieser Tage grenzt das schon fast an Heldenmut.
Ein Held ist Hans-Peter Friedrich aber eher nicht. Der CSU-Politiker diente jahrelang unauffällig im Kabinett Merkel. Als Innenminister war er kein schwarzer Sheriff, im Gegenteil. Oft gab er sich so moderat, dass Parteifreunde um das konservative Profil der CDU/CSU bangten. Friedrich muss sich also fragen lassen, ob er nicht selbst zu jenem rundgeschliffenen, angriffsflächenfreien Erscheinungsbild der Union beigetragen hat, das er heute so sehr beklagt.

Was hat der Merkel'sche Modernisierungskurs gebracht?

Und noch eine Frage drängt sich auf: die nach Friedrichs Motiv. In CDU und CSU werden viele seinen Angriff auf den Kurs der Kanzlerin als eine Art Racheakt werten, als billige Revanche eines Ex-Ministers, der nichts mehr zu verlieren hat. Zu Unrecht? Tatsache ist, dass Angela Merkel den damaligen Agrarminister Friedrich Anfang 2014 nach Rücksprache mit CSU-Chef Horst Seehofer zum Rücktritt gezwungen hat. Im Raum stand seinerzeit der Verdacht des Geheimnisverrats, weil Friedrich den SPD-Vorsitzenden Gabriel über drohende Ermittlungen gegen Sebastian Edathy im Zusammenhang mit Kinderpornografie informiert hatte. Für Merkel war Friedrich als Minister damit nicht mehr tragbar – zu viel Angriffsfläche.

Friedrich selbst hat der Kanzlerin das nicht verziehen, allzumal ein Strafverfahren wegen Verrats von Dienstgeheimnissen später wegen geringer möglicher Schuld eingestellt wurde. Das macht seine Kritik aber nicht weniger diskussionswürdig. Denn aus welchem Motiv auch immer er nun die Öffentlichkeit sucht – für das deutsche Parteiensystem ist es allemal von Bedeutung, ob sich rechts der Union eine weitere Kraft festsetzen kann. Soll die CDU und CSU auch in Zukunft versuchen, rechtskonservative Wähler an sich zu binden? Ginge das überhaupt – und wenn ja: wie? Oder würde sie damit all jene Wähler von SPD und Grünen preisgeben, die ihr der Merkel’sche Modernisierungskurs eingebracht hat?
Anfang Dezember hat es die Merkel-CDU noch fertiggebracht, einen Bundesparteitag abzuhalten, auf dem die AfD offiziell keine Rolle spielte. Inzwischen treten Tausende zu Demonstrationen der Pegida gegen eine angebliche Islamisierung Deutschlands an. Merke: Aussitzen, beschwichtigen, totschweigen – das funktioniert nicht mehr. Angela Merkel schuldet ihrer Partei ein paar Antworten. Und nicht nur ihr.

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