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Facebook hat seine Jugendschutzregeln geändert. Auch 13- bis 18-Jährigen können jetzt öffentlich posten.

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Facebook lockert seine Privatsphäre-Einstellungen: Schützt unsere Kinder endlich vor Facebook!

Der Gesetzgeber schützt Teenager vor Alkohol und Glücksspiel, vor Pornographie und Gewalt in Filmen - nicht aber vor den sozialen Medien. Öffentlichkeit wird bislang offensichtlich nicht als Gefahr im Sinne des Jugendschutzes gewertet. Doch das ist ein Fehler.

Von Anna Sauerbrey

Kinder und Jugendliche sind Bürger zweiter Klasse. Das Jugendschutzgesetz beschränkt sie in erheblicher Weise. Teenager dürfen nicht trinken, nicht rauchen, nicht wählen, nicht Auto fahren. Sie dürfen keine Pornofilme ansehen und nachts nicht in Bars und Clubs. Sie dürfen keine Verträge unterschreiben und nicht an Glücksspielautomaten spielen. Die Liste der Dinge, die der Gesetzgeber als Gefahren ausgemacht hat, ist lang – Öffentlichkeit allerdings gehört nicht dazu. Deshalb ist es wohl auch rechtmäßig, wenn Facebook nun seine Jugendschutzbestimmungen lockert.

Bislang konnten Teenager sich auf Facebook nur mit "Freunden" austauschen

Bislang konnten sich 13- bis 18-Jährige auf Facebook nur mit „Freunden“ austauschen. Alles, was sie online stellten, war nur sichtbar für Kontakte, die sie ausdrücklich autorisiert hatten. Nun können Teenager Gedanken und Fotos mit dem ganzen Netz teilen.

Die Beschränkungen des Jugendschutzgesetzes basieren auf der Annahme, dass Jugendliche noch nicht mündig sind, also nicht in demselben Maße wie Erwachsene in der Lage, die Folgen ihres Handelns zu überblicken. So soll verhindert werden, dass sie sich selbst schaden. Folgt man der Argumentation von Facebook, ist diese Sorge beim Umgang von Kindern und Jugendlichen mit Öffentlichkeit unbegründet. Teenager, schreibt das Unternehmen, seien schließlich sehr kompetent im Umgang mit sozialen Medien.

Dieses Klischee wurde schon häufig infrage gestellt. Eine Umfrage von Forsa für den der Technikskepsis unverdächtigen Branchenverband „Bitkom“ aus dem Jahr 2011 ergab etwa, dass 44 Prozent der 10- bis 18-Jährigen, die soziale Netzwerke nutzen, dort unter ihrem Klarnamen auffindbar sind, ein Drittel gibt seinen Wohnort an und die Hälfte hat sich noch nie mit den Datenschutzbestimmungen befasst, sondern vertraut auf die Voreinstellungen des Anbieters. Auch dramatische Einzelfälle belegen den sorglosen Umgang mit der Öffentlichkeit. Im vergangenen Jahr nahm sich die Kanadierin Amanda Todd im Alter von 15 Jahren das Leben, nach einer langen Leidensgeschichte, an deren Anfang sie in einem Chat einem Fremden ihre Brüste gezeigt hatte.

Die Internet-Öffentlichkeit ist wie ein wildes Tier: unberechenbar, unzähmbar

Schon Erwachsenen fällt es schwer, die Wirkung von Öffentlichkeit in der digitalen Welt abzuschätzen. Die Öffentlichkeit des Internets ist wie ein wildes Tier: unberechenbar und unzähmbar. Die Verbreitungswege einer Nachricht oder eines Bildes, die Kontexte aus denen es gerissen und in die es transportiert wird, der Umfang und die Richtung der Reaktionen sind unvorhersehbar. Insofern unterscheidet sich die „Gefahr“ Öffentlichkeit kaum vom Alkohol oder vom Glücksspiel, insofern müssten Kinder und Jugendliche vor Öffentlichkeit tatsächlich besonders geschützt werden.

Die schwierigere Frage ist die nach dem Weg. Tatsächlich wird der Schritt von Facebook wohl wenig am Faktischen ändern. Bereits heute mogeln viele Teenager bei der Angabe des Alters, um Restriktionen zu umgehen. Und wenn sie nicht auf Facebook posten, posten sie eben auf Blogs, Youtube oder Instagram. Facebook argumentiert außerdem – strategisch durchsichtig, aber nicht ganz zu Unrecht –, dass auch Teenager ein Recht auf öffentliche, freie Meinungsäußerung haben.

Wieder einmal wird die Gewährleistung des Schutzes also an Eltern und Lehrern hängenbleiben. Öffentlichkeit erfordert Mündigkeit. Also muss das öffentliche Kind früh mündig werden.

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