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© AFP

Falschmeldungen aus den USA: Schnelle Nachrichten sind nicht immer die richtigen

Eine Lehre nach den Anschlägen von Boston und der falschen Twitter-Meldung zu Barack Obama lautet: Die schnelle Information ist nicht immer die richtige. Die Trennung zwischen Gerücht und Nachricht verschwimmt mittlerweile viel zu oft.

Welchen Wert hat eine Nachricht? Das kommt ganz darauf an, welche Folgen sie hat – aber mehr noch, ob sie stimmt oder nicht. Das Bewusstsein für diesen Unterschied scheint zu sinken, je mehr sich das Nachrichtengeschäft beschleunigt.

Am Mittwoch hatte die von Hackern lancierte  Falschmeldung, Präsident Obama sei bei einer Explosion im Weißen Haus verletzt worden, Kursschwankungen an den Börsen im Wert zwischen 130 bis 200 Milliarden Dollar ausgelöst. Nach wenigen Minuten war die Falschmeldung entlarvt, die Kurse kehrten auf das alte Niveau zurück. In diesem kurzen Zeitraum erlitt ein Teil der Marktteilnehmer Milliardenverluste, ein anderer erzielte Milliardengewinne. Falschmeldungen können beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Verlässliche Neuigkeiten sind Gold wert.

Vor 20 Jahren hätte so etwas kaum passieren können. Die Nachrichtenprofis hielten sich an Regeln: Ein potenzielle Neuigkeit wurde erst dann zu einer Meldung, wenn zwei Quellen sie unabhängig voneinander bestätigt hatten. Börsenprofis kannten diese Regeln und hätten einer „Nachricht“, die nicht auf zwei Quellen basiert, geringes Vertrauen geschenkt. Am Mittwoch wurde ein schlimmerer Kurssturz offenbar verhindert, weil erfahrene Händler twitterversessene Kollegen warnten, man solle auf eine Bestätigung warten.

Wird die Erfahrung einen heilsamen Schock und ein Nachdenken auslösen? Warum richten sich Börsen überhaupt nach Meldungen von „Social Media“? Deren Sinn lag bisher nicht darin, aktienrelevante Informationen zu liefern. Zudem: Selbst wenn Obama verletzt wäre, sollte das am Geschäft von Chrysler, General Electrics oder Citibank wenig ändern. Der Staat funktioniert verlässlich weiter.

Der Vorfall zeigt die Gefahren einer generellen Tendenz: Schnelligkeit geht vor Verlässlichkeit, und die Trennung zwischen Gerücht und Nachricht, zwischen Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses und relevanten Informationen, die das Handeln zwingend beeinflussen, verschwimmt.

Die Erfahrungen mit den Schießereien und Anschlägen, die Amerika in jüngster Zeit erlitten hat, zeigen eindeutig: Ein Großteil der zunächst verbreiteten Informationen erwies sich als falsch. Manche Medien präsentierten die falschen Verdächtigen, mit Foto und Namen. Auch da entsteht Schaden. An der Verwirrung beteiligen sich Medien, die früher einmal für Zuverlässigkeit standen. CNN leistete sich mehrere Schnitzer, darunter die Falschmeldung über frühe Festnahmen. Vermutlich trug der Druck bei, unter dem ein Sender steht, dessen Quoten sinken und der deshalb erst recht versucht, der Konkurrenz voraus zu sein.

Die neuen elektronischen Verbreitungsformen haben ihre guten Seiten: Immer mehr Menschen können in Echtzeit das Geschehen verfolgen. Es gibt aber auch Schattenseiten und neue Risiken. Viele Menschen ertrinken in der Flut von Neuigkeiten, mit denen sie via Zeitung, Radio, Fernsehen, Internet, Smartphone, Twitter überschwemmt werden. Sie sind dringender denn je darauf angewiesen, dass vertrauenswürdige Profis das Glaubwürdige vom Sensationellen trennen und die Bedeutung einordnen. Falschmeldungen verursachen Schäden und Kosten. Verlässliche Information gewinnt an Wert.

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