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Familie der Zukunft: Das geht uns nahe

Zwei Untersuchungen haben sich in dieser Woche mit den Überlebenschancen der Familie beschäftigt. Dabei kam heraus, dass die Menschen in schweren Zeiten mehr auf die engsten Verwandten setzen, als auf den Staat - was in der Konsequenz bedeutet, dass der Staat gut beraten ist, die Situation von Familien zu erleichtern.

Campino, der Sänger der „Toten Hosen“, hat einen fünfjährigen Sohn. Von der Mutter lebt er seit drei Jahren getrennt, das Kind wächst bei ihr auf. Aber der Punkrocker sagt, und ist dabei sehr in sich gekehrt, dass er jede Chance nutzt, den gemeinsamen Sohn zu sehen.

Familie 2009? Vielleicht nicht typisch, aber gerade in einer großen Stadt wie Berlin viel häufiger, als es dem tradierten Bild der Vater-Mutter-Kinder-Beziehung entspricht. Jede Gemeinschaft, in der Menschen zusammenleben, ist auf eine vielleicht manchmal etwas besondere Art Familie. Denn Familie, das bedeutet vom Wortstamm her miteinander vertraut, dem Hause zugehörig sein. In diesem Sinne gibt es, darauf wies der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, bereits 2006 in einer Rede hin, keine Menschen ohne Familie, denn auch kinderlos Gebliebene sind ja nur auf der Welt, weil sie Vater und Mutter haben.

Gleich zwei Untersuchungen haben sich in der zu Ende gehenden Woche mit den Überlebenschancen dieser Keimzellen jeder Gesellschaft beschäftigt. Das Allensbacher Institut für Demoskopie befragte die Bundesbürger in seinem „Familienmonitor“ über deren Sorgen und Erwartungen; im Auftrag der Bosch-Stiftung erstattete die „Kommission Familie und demografischer Wandel“ zum zweiten Mal einen Bericht. Der Befund der Erhebung findet seine Bestätigung in den Empfehlungen der sowohl wissenschaftlich als auch empirisch arbeitenden Kommission. Nicht nur Eltern mit unter 18-jährigen Kindern, sondern auch die Gesamtbevölkerung messen der Familie als sozialem Netz gerade in Notzeiten besondere Bedeutung zu. Nicht etwa der Staat, sondern die engsten Verwandten sind diejenigen, auf deren Hilfe die Menschen setzen – was in der Konsequenz bedeutet, dass der Staat gut beraten ist, die Situation von Familien zu erleichtern.

Hier treffen sich Allensbacher Demoskopen und die Experten der Bosch-Stiftung mit ihren Empfehlungen. Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erwarten die Bürger, die Leistungen der Familie für die Gesellschaft wollen die Gutachter durch steuerliche Erleichterungen oder eine deutliche Besserstellung bei der Rente honoriert sehen. Wenn in dem Bericht von „kleinen Kreisen“ statt von Familien gesprochen wird, sind damit die immer häufigeren Lebensgemeinschaften nicht verwandter Menschen beschrieben: Ältere, die zusammenwohnen, um nicht in eine Senioreneinrichtung ziehen zu müssen; Generationenhäuser, in denen sich kinderreiche Familien und ältere Alleinstehende zusammentun, um im kleinen Kreis erlebbar zu machen, was die Gesellschaft im Großen zusammenhält – Solidarität.

Das Beruhigende, man darf auch sagen: das dankbar Stimmende am Ergebnis der Untersuchungen ist, dass die Bereitschaft, sich um seinen Nächsten zu kümmern, in allen Alters- und sozialen Schichten wächst. Die Lehre für die Politik: In das, was auf privater, bürgerschaftlicher Ebene freiwillig geleistet wird, sollte der Staat sich nicht einmischen. Er müsste seine Aufgabe vielmehr darin sehen, durch steuerliche und organisatorische Anreize Familien und Lebensgemeinschaften zu stärken. Um zu wissen, dass jungen Paaren mit Kindern und sozial schlecht Gestellten solche Hilfe besonders – und dringend – willkommen ist, braucht man eigentlich keine Umfragen, so nützlich und anregend sie sein mögen, sondern nur offene Augen und die Bereitschaft, den Betroffenen zuzuhören. Aber das fällt oft schwerer, als immer neue Vorschriften zu erlassen.

Gerd Appenzeller

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