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Kindheit am Weinbergpark.

© Thilo Rückeis

Familienpolitik: Warum die Koalition das Elterngeld streichen sollte

Es nutzt vor allem jenen großstädtischen Wohlstandsmilieus, die es erfunden haben. Das Elterngeld sollte abgeschafft werden – und die Herdprämie gar nicht erst eingeführt. Ein Kommentar.

Der Aufbruch war da, sie hat ihn begleitet. Man erinnert sich an die Bilder mit den Luftballons und den fröhlichen Gesichtern, inmitten die Ministerin und Mustermutter, die mit sanfter Miene Kinder bespielt, während drumrum die Fotografen knipsen. Es hat sich etwas geändert im letzten Jahrzehnt, Kinder sind sichtbarer und zum Politikum geworden. Ursula von der Leyen begegnete ihnen mit offenen Armen, und wie zum Dank trugen die kleinen Hände sie in hohe Ämter, in denen sie jetzt noch höhere erwarten darf.

Neben dem zweifellos überfälligen Ausbau des Betreuungsangebots war es das Elterngeld, für das Leyen sich feiern ließ. In dieser Haushaltswoche im Bundestag ist noch einmal klar geworden, mit welchen Beträgen es zu Buche schlägt. Seit Einführung hat es rund 15 Milliarden Euro gekostet. Das ist viel für eine familienpolitische Maßnahme, deren Nutzen streitbar ist und deren Wertungen zumindest fragwürdig erscheinen.

Man hatte es sich so schön ausgemalt in den Ministerbüros, es schien so lebensnah. Gerade Akademikerinnen sind es, die auf Kinder verzichten. Sie kommen in den Jobs gut an, Gehalt und Bestätigung machen das Ja zum Kind schwer. Diese Klientel sollte bewegt werden und der Partner gleich mit. Deshalb strich man das Erziehungsgeld und zahlt Lohnersatz, lockt mit Vätermonaten.

Das alles war fast zu schön, um wahr zu sein. Plötzlich sah man Parlamentarierinnen mit Tragetüchern und Papis Kinderwagen schieben, die Illustrierten erzählten die passenden Geschichten, wie aus sympathischen Erfolgspaaren sympathische Erfolgseltern wurden. Eine Chimäre, hinter der einer der wichtigeren und vieles verändernden Einschnitte im Menschenleben langsam verschwinden sollte: Kinder, so lautete die Botschaft, das sind wir doch irgendwie alle – leben wir einfach so weiter wie bisher.

Doch so geht es nicht. Kinder werden älter und teurer, sie fordern Verzicht und Anstrengung, der Blick auf sie wird nüchterner wie der auf familienpolitische Konzepte. Die Akademikerin gebärt nicht, wie es der Bundestag wollte, und wenn, dann oft nur ein Kind, die Zahl der Geburten sinkt insgesamt weiter. Statt zum Kinderkriegen regt der Staat an, sich einen Job zu suchen oder zu warten, wenn das nicht gleich klappt. Und er teilt Kinder in wertvolle und weniger wertvolle auf; solche, deren Eltern viel bekommen, wenn sie sich kümmern, und solche, die wenig bekommen, Hartz-Empfänger, Geringverdiener, Vollzeitmütter.

Das Elterngeld nutzt vor allem jenen großstädtischen Wohlstandsmilieus, die es erfunden und durchgesetzt haben – ein Akt der Selbstbegünstigung. Die Bevorzugung gebildeter Gutverdiener in der heimlichen Hoffnung, der Nachwuchs gerate genauso, verweist zudem auf eine elitäre Sichtweise von Fortpflanzung, für deren unterschwellige Diskurstauglichkeit es keines Sarrazins bedurfte. Familien gehören gefördert, nicht Ideologien. Das Elterngeld ist Ideologie – wie das Betreuungsgeld, mit dem die Koalition ab 2013 die Erziehungsarbeit daheimgebliebener Mütter prämieren will. Besser wäre, man streicht beides und spielt nicht familiäre Leitbilder gegeneinander aus. Kinder werden älter. Manchmal ist es sinnvoll, dafür zu sparen.

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