zum Hauptinhalt

FDP kritisiert die große Koalition: Geschichte aktuell

Ach du je, der FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bekommt es jetzt aber ab. Warum? Weil er aktuelle Politik mit einem historischen Vergleich auf den Punkt bringen wollte. Wie gefährlich das ist, besonders hierzulande, sieht man gerade wieder.

Nun hinken Vergleiche sowieso immer, die Frage ist nur, wie stark. Niebel hat aber für die Politik der großen Koalition die DDR herangezogen, und das bei einer ostdeutschen Kanzlerin. Das wirkt offenbar bei manchen fast so, als ob einer mit den Nazis käme. Niebel als Herman, irgendwie. Und das geht ja gar nicht, oder?

Also, das vorab, der politisch-historischen Korrektheit halber: Natürlich ist das, was die drei Koalitionäre treiben, nicht mit der Nationalen Front der DDR zu vergleichen. Es herrschen auch nicht ZK oder Politbüro, keine ist Margot Honecker. Zeitgeschichtler von Rang können sich darum die Haare raufen, keine Frage. So ist die Politik nicht, da gäbe es derart viel einzuwenden, dass eine Zeitungsseite wohl nicht ausreichte. Richtig im Sinne von korrekt wäre eher gewesen, einen kleinen Ausschnitt aus der Geschichte zu suchen, der deckungsgleich(er) zu sein scheint, um den aufs Heute gesehen durchzubuchstabieren.

Aber, andererseits: Niebel hat (wenn überhaupt) verglichen, nicht gleichgesetzt. Das ist schon ein großer Unterschied. Er hat auch nichts durchbuchstabiert, sondern ein Bild entstehen lassen, einem Geruch nachgespürt, dem muffigen. Und, halten zu Gnaden: Was Niebel meint – siehe den Tagesspiegel vom 4. Januar und im Internet –, ist nun beileibe nicht so absurd, wie es der Satz „Fahrradfahrer sind schlimmer als Obstverkäufer“ wäre.

Will sagen: Wenn der FDP-General einen Eindruck provozierend ausdrücken wollte, ja, dann ging das gar nicht anders als plakativ. Er hat auf einen Begriff zu bringen versucht, was auch in Angela Merkels eigener, der Unionsfraktion (sic!), gesagt wird. Wenngleich vor allem hinter vorgehaltener Hand und nur einmal quasi-öffentlich, bei der Debatte um die Gesundheitsreform. Das war, als Merkel entgegengehalten wurde, dass man doch nicht das Gesundheitssystem der DDR haben wolle.

Außerdem gibt es Ostdeutsche, die es genauso kritisch sehen, wie Niebel es aufgeschrieben hat. Die sehen keinen Vorwurf, sondern eine Politik, die rechtschaffen nicht zuletzt denen gegenüber ist, die die DDR erlitten haben. Hinzu kommt: In der Politik ist es nötig, die Dinge auf den Punkt, auf einen „Begriff“ zu bringen, um zu den Menschen durchzudringen. Das gilt sogar als Kunst. Dazu gibt es auch gelehrte Abhandlungen von berühmten Wissenschaftlern.

Wenn die Absicht war, Wähler zu wecken – dann hat Niebel einiges erreicht. Weitere Debatten nicht ausgeschlossen, pappt jetzt aber der Begriff wie ein Label auf der Koalition, der Union, der Kanzlerin. Aus Vorsicht wird’s vielleicht keiner mehr offen sagen, nur werden es viele denken, wenn die Regierung wieder eine „Reform“ verabschiedet, die an zurückliegende Zeiten erinnert. Und sei es von allergrößter Ferne.

Zur Startseite