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Meinung: FDP: Selbstbewusst, nach Bayern schielend

Der Starke ist am mächtigsten allein. Und der Schwache?

Der Starke ist am mächtigsten allein. Und der Schwache? Das ist die Frage an die FDP, die am Sonntag die alte, bewährte Kulisse des Stuttgarter Dreikönigstreffens nutzt, um den längst eingeleiteten Wahlkampf für die Bundestagswahlen zu eröffnen. Gerade hat ja Parteichef Westerwelle noch einmal bekräftigt, dass die Partei entschlossen ist, diesmal ohne eigene Koalitionsaussage in den Wahlkampf zu gehen. Ausserdem hat er, wie stets, in Möllemanns 18-Prozent-Fanfare geblasen. Da kann man nicht umhin, daran zu erinnern, dass die FDP eben in Hamburg gerade über die fünf Prozent kam und das Berliner Ergebnis, das sie hart an den Rand der Zweistelligkeit brachte, seine Ursache im Absturz der CDU hatte.

Dennoch ist es nicht nur Chuzpe, wenn sich die FDP in Stuttgart als Fast-schon-wieder-Koalitionspartner zurückmelden wird. Im den Strömungen des Parteienwandels, der die Bundesrepublik ergriffen hat, hat die Partei ihre Position gefestigt - soweit es da überhaupt Festigkeit gibt. Eine SPD, der der Wind ins Gesicht bläst, eine Union, die sich mit ihrer K-Diskussion selbst gefesselt hat, Grüne, mit denen es, vielleicht, bergab geht, eine PDS, die es wissen will - in einer solchen Situation hat die FDP zumindest die Chance, demnächst wieder mitzuregieren. Ganz ohne Verdienst ist sie daran nicht. Man muss einräumen, dass das in erster Linie dem Prinzip Westerwelle zu verdanken ist, also dem Konzept einer Partei als Wille und Vorstellung: als Wille, mitzuregieren, als Vorstellung, dem Bedürfnis der Gesellschaft nach mehr Beweglichkeit zu antworten.

In "Äquidistanz" zu SPD und Union will die FDP den Wahlkampf führen, heißt es in feiner Erinnerung an die Formeln im Streit um die Nachrüstung, also in gleicher Entfernung zu den beiden Parteien, die als Koalitionspartner in Frage kämen. In der hehren Theorie heißt das: Die FDP ist - zum ersten Mal in ihrer Geschichte - nach beiden Seiten offen. In der nicht ganz so hehren Praxis bedeutet es: Die Partei hofft, Wähler aus beiden Lagern zu gewinnen. Nur geht das diesmal nicht wie bisher als Korrektiv der Partei, der sie die Koalition - und Regierungsmehrheit - versprochen hat. Die forcierte Sicherheit, mit der der Parteichef seine Wahl-Botschaft vom nahen Abschied von der ungeliebten Oppositionsrolle präsentiert, soll das Risiko übertönen, das die FDP mit diesem Alleingang eingeht.

Noch einen Schritt näher zur Realität der politischen Lage hin erkennt man ein bekanntes Szenario. Es ist, wie es immer war: Die FDP hat Wähler, aber nicht genug davon, und ihr Erfolg hängt deshalb davon ab, wie und mit welchen Argumenten sie den anderen Parteien Wähler abspenstig machen kann. Bei der SPD ist dabei für sie am wenigsten zu holen. Ein sozial-liberales Sympathie-Feld, das solche Optionen begünstigte - wie am Ende der sechziger Jahre -, ist so wenig auszumachen wie die Neigung - Modell der späten siebziger Jahre - der SPD eine FDP als steuerndes, marktwirtschaft-sicherndes Hilfsaggregat beizugesellen.

Bleibt die Union, und in der Tat lebten FDP-Erfolge in den vergangenen Jahren allemal von deren Schwäche. Also stellt sich vor allem die Frage, in welcher Verfassung sich die Union präsentiert - was wiederum heißt: ob mit Stoiber oder Merkel. Beide seien ihm gleich recht, hat der Parteichef gesagt. Das ist zu diplomatisch, um die ganze Wahrheit zu sein. Immerhin erlaubte ein Kanzlerkandidat Stoiber, die alte Frontlinie der liberalen FDP gegen die konservative CSU wieder zu befestigen. Woraus folgt: Man wird sich in Stuttgart gegenseitig versichern, vorzüglich aufgestellt zu sein - und nach Bayern schielen.

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