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Die deutsche Iran-Politik ist trotz der Proteste noch immer sehr zurückhaltend.

© dpa/Boris Roessler

Deutschlands Umgang mit Iran: Feministische Außenpolitik bleibt noch ein reines Schlagwort

Solange die Bundesregierung die Atomverhandlungen fortsetzt, tritt sie den Freiheitskampf der Iranerinnen mit Füßen. Auch wenn sie anderes behauptet.

Ein Kommentar von Gilda Sahebi

Man könnte es fast als schicksalshaft bezeichnen, dass genau in dem Jahr, in dem eine deutsche Bundesregierung den Begriff der „feministischen Außenpolitik“ auf die politische Bühne hebt, im sogenannten Nahen Osten eine historische Bewegung entsteht, in der die Menschen auf den Straßen „Frau, Leben, Freiheit“ rufen und für die Gleichberechtigung der Geschlechter kämpfen.

Die „feminist foreign policy“ – so heißt es im Koalitionsvertrag – könnte Richtschnur einer neuen Iran-Politik sein.  Doch knapp fünf Monate nach Beginn der Protestbewegung im Iran ist klar: In der Iran-Politik der Bundesregierung spielt die feministische Außenpolitik keine Rolle. Auch wenn das nicht zwangsläufig an Außenministerin Annalena Baerbock liegt, dank deren Partei das Konzept es überhaupt in den Koalitionsvertrag geschafft hat. 

Die Außenministerin präsentierte sich nach Beginn der Protestbewegung im September nach einem holprigen Start als Unterstützerin des feministischen Widerstands. Sie fand deutliche Worte gegen das Regime, sie lobte den Mut der Menschen im Iran, sie brachte die Entscheidung des UN-Menschenrechtsrats herbei, die Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Neue Töne in der deutschen Iran-Politik. 

Zurückhaltung in der Iran-Politik

Seit Jahren ist die Iran-Politik, egal unter welchem Außenminister, von Zurückhaltung gegenüber dem iranischen Regime und der Unterordnung von Menschenrechtsfragen geprägt. Betrachtet man die Politik – und nicht nur die Rhetorik – der vergangenen Monate, so ist erkennbar, dass sich daran nichts geändert hat.

Ob das vollständig mit den Vorstellungen der Außenministerin übereinstimmt oder nicht, kann man nur mutmaßen. In jedem Fall ist es ihre Glaubwürdigkeit, die in der Iran-Frage am meisten leiden könnte. 

Deutschland stabilisiert das iranische Regime

Im Dezember traf der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den iranischen Außenminister, um über das Atomabkommen zu beraten. Das Auswärtige Amt bestätigte auf Anfrage, dass Borrell in diesem Zusammenhang als „Koordinator“ für die EU-Staaten fungiere. Die Bundesregierung muss somit ihr Einverständnis zu diesem Treffen gegeben haben.

Außenministerin Annalena Baerbock äußert sich mittlerweile klar, Kanzler Olaf Scholz schweigt.
Außenministerin Annalena Baerbock äußert sich mittlerweile klar, Kanzler Olaf Scholz schweigt.

© dpa/Kay Nietfeld

Bisher gab es für das iranische Regime kaum Konsequenzen für die systematischen Menschenrechtsverletzungen. Die Sanktionsliste der Europäischen Union wurde zwar erweitert, aber nicht in einem Maße, dass es das Regime treffen würde. Zudem bleibt die Priorität der Atomverhandlungen bestehen, auch wenn das Auswärtige Amt öffentlich gerne anderes behauptet. 

Für das iranische Regime sind solche Treffen enorm wichtig: Es muss seinen eigenen Leuten die Sicherheit geben, dass sie für ihre Verbrechen nicht bestraft werden – und nichts fürchten die Machthaber mehr als Loyalitätsverlust. Das Regime kann also sicher sein, dass die EU, komme was wolle, weiter mit ihm verhandeln wird.

Das bedeutet Legitimation – überlebenswichtige Legitimation. Somit trägt die EU – und damit auch die Bundesregierung – unmittelbar zur Stabilisierung des iranischen Regimes bei.  Außenpolitik und Sicherheitsfragen gehören zusammen

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, die Unterstützung der Menschen, die sich im Iran für Freiheitsrechte einsetzen, stehe „im Mittelpunkt unserer Politik gegenüber dem Iran“. Gleichzeitig ist man laut Auswärtigem Amt gemeinsam mit den EU-Partnern und den USA „vereint in dem Ziel, eine nukleare Bewaffnung des Iran zu verhindern“.

Das Problem: Beides zusammen ist nicht möglich – zumindest nicht im Rahmen des Atomabkommens, das Menschenrechtsfragen vollkommen ausspart. Es ist zu vermuten, dass das Auswärtige Amt den Eindruck zu vermeiden versucht, man habe die Frage der Menschenrechte den Verhandlungen um das Atomabkommen untergeordnet – auch wenn das faktisch der Fall ist. Zu groß der Gegensatz zur feministischen Außenpolitik.

Feministische Politik ist Menschenrechtspolitik

So kommt es der Bundesregierung sicher gelegen, dass Annalena Baerbock das Gesicht der feministischen Außenpolitik ist. Olaf Scholz äußert sich zur Protestbewegung im Iran praktisch gar nicht. Seit Wochen herrscht dazu vollkommene Stille, von einem Kanzler, der sich im Bundestagswahlkampf 2021 noch als „Feminist“ bezeichnete.

Die FDP schickt zum Thema Iran stets ihren Generalsekretär Bijan Djir-Sarai vor, schaltet sich aber sonst nicht groß in die Debatte ein. Djir-Sarais Forderung nach einer Aussetzung der Atomverhandlungen verhallt da als einzelne Stimme im Walde. 

So offenbart die Bundesregierung, federführend das Kanzleramt und das Auswärtige Amt, dass feministische Außenpolitik schön und gut ist, aber Sicherheitspolitik nun einmal wichtiger.

Dabei gehören feministische Außenpolitik und Sicherheitsfragen zusammen. Feministische Außenpolitik kann bedeuten, Waffen in ein Kriegsgebiet zu schicken und die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, wenn es dem Schutz von Menschenrechten dient.

Feministische Außenpolitik ist keine Politik von Frauen für Frauen, sondern eine Politik, in der Menschenrechte den zentralen Platz einnehmen. Insofern ist feministische Außenpolitik im besten Fall schlicht Außenpolitik.  

Für die Menschen im Iran spielen diese Debatten derweil keine Rolle. Dass westliche Regierungen lieber mit dem Regime sprechen als mit ihnen, sind sie gewöhnt. Feministische Außenpolitik hin oder her.  

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