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Fernsehen: Frontal Fußball

Das ZDF leidet nicht unter zu viel Einfluss der Politik, sondern unter zu viel Tralala.

Früher war die Welt schon deshalb in Ordnung, weil sie ordentlich aufgeräumt war: Nehmen wir das Zweite Deutsche Fernsehen. Der Programmdirektor war ein bisschen konservativ, der Chefredakteur ein bisschen links, der Intendant stand darüber und passte auf, dass der Programmdirektor ein bisschen konservativ, der Chefredakteur … ZDF, ein Zentrum Der Freude, vor allem für die Freundeskreise von Union und Sozialdemokratie. Die Journalisten fügten sich ein, bis auf die Abteilungsleiterebene hinunter wurde dem Links- Rechts-Abzählreim gehuldigt. Motto: Ich weiß nicht, was du kannst, aber ich weiß, was du bist.

Dann wurde es erst mit der Parteienlandschaft unübersichtlicher, dann bekam das ZDF mit Intendant Markus Schächter, Programmdirektor Thomas Bellut und Chefredakteur Nikolaus Brender eine neue Spitze und der Sender neue Selbstständigkeit. Spätestens, seitdem Brender am Wahlabend des 18. September 2005 dem testosterongetriebenen Noch-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit geradem Rücken widerstand, war unabhängiger Journalismus nicht länger nur ein Stichwort für die „Mainzer Tage der Fernsehkritik“. Claus Kleber („heute-journal“), Talkmasterin Maybrit Illner, Hauptstadtstudio-Chef Peter Frey, Claus Richter („Frontal 21“) und weitere ZDF- Prominenz setzen sich öffentlich für die Vertragsverlängerung ihres Chefredakteurs Nikolaus Brender ein, den konservative Granden im ZDF-Verwaltungsrat wie Roland Koch und Edmund Stoiber zum „Auslaufmodell“ erklären möchten (und es eigentlich selber sind).

Der unsichtbare Widerstand wie der eminente Appell für unparteilichen, unabhängigen Journalismus im ZDF, sie kommen zur rechten Zeit. Es ist Wahljahr, es ist Krise. Die Antwort darauf kann im Leitmedium Fernsehen nur ernsthafter, aufklärerischer Journalismus sein. Aber der hat es schwer, nicht weil die Koch- Garde es ihm schwer machen will, sondern weil sich das ZDF selber daran versündigt.

Das zeitkritische Magazin „Frontal 21“ geht am Dienstag mit der neuen Moderatorin Hilke Petersen wieder an den Start. Die letzte Ausgabe des erklärten „Wochenmagazins“ war am 21. Januar. Danach musste es vier Wochen lang einem Fernsehfilm, einem Fußballspiel und zwei Mal Karnevals-TV weichen. Kaum hat Petersen Bildschirmpremiere, fällt „Frontal 21“ am 3. März schon wieder aus – Fußball! Ähnlich das Elend mit dem „Auslandsjournal“, das seit Jahren durchs Programm getrieben wird.

Das ZDF kennt eben einen größeren Gott, er heißt Quote und schlägt im Abwägungsfall die journalistischen Formate aus dem Feld. Journalismus meinen und Tralala senden, das ist so, als wollte man Koch-Stoiber endlich das Fallbeil in die Hand geben, nach dem die Parteibuchler bislang vergeblich gesucht haben. Das beste Argument für freien Fernsehjournalismus ist freier Journalismus im Fernsehen.

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