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Meinung: Fifa: Entblattert

Korruption ist keine Domäne der Politik. Bestechungsvorwürfe bedrohen Joseph S.

Von Markus Hesselmann

Korruption ist keine Domäne der Politik. Bestechungsvorwürfe bedrohen Joseph S. Blatters Wiederwahl zum Präsidenten des Fußball-Weltverbandes Fifa. Die Karriere des Schweizers ist eng mit der Kommerzialisierung des Fußballs in den 80er Jahren verbunden. Die Champions auf dem Feld hießen FC Liverpool und AC Mailand, die Champions des Geldes Havelange und Blatter, unterstützt von den Sportfirmen Adidas und ISL. Unter dem Brasilianer Havelange als Fifa-Präsident war der Schweizer Blatter ein einflussreicher Mann geworden. Heute wirkt er wie übrig geblieben. Ein Relikt aus Zeiten, deren Schlachten geschlagen sind. Ein Mann, der von allen Seiten angegriffen wird und sich bei der Sitzung der Fifa-Exekutive heute wohl wieder durchlavieren wird. Für den es aber Zeit wäre, zu gehen: spätestens beim Wahlkongress im Mai.

Die brasilianisch-schweizerische Allianz hat auch Gutes bewirkt. Eine kommerziellere Ausrichtung des Fußballs war unausweichlich. Mit den amateurhaften Vorstellungen des Havelange-Vorgängers und britischen Gentlemans Sir Stanley Rous hätte sich das ebenso schöne wie schlichte Spiel unter den neuen Freizeittrends und Unterhaltungsangeboten kaum behaupten können. Deshalb machten Havelange und der Ausrüster Adidas, im Fußball fast Monopolist, den Top-Manager Blatter zum Fifa-Generalsekretär. Er sollte den Fußball zum einträglichen Geschäft machen - nicht zuletzt mit der Marketingfirma ISL, hinter der sich ebenfalls Adidas verbarg. Der Schweizer und der Brasilianer brachen die Macht der Briten und stärkten die Stellung der Dritten Welt. Auch das war nicht falsch.

Inzwischen hat sich viel geändert. ISL ist pleite, Adidas kein Monopolist mehr, sondern ein Sportartikelhersteller unter anderen. Auch die politischen Fronten - hier die früheren Kolonialmächte, dort die Dritte Welt - sind aufgeweicht. Gerade Blatters frühere Unterstützer wenden sich gegen ihren Mentor. Die jüngsten Zeugenaussagen zu Bestechungsvorwürfen bei Blatters Wahl 1998 kamen aus Somalia. Die möglichen Gegenkandidaten im Mai kommen aus Asien und Afrika: der Koreaner Chung Mong Joon und der Kameruner Issa Hayatou.

Er werde die Seele des "Beautiful Game", wie es die Engländer nennen, verkaufen, sagte man Blatter nach. Mit größeren Toren und Viertelpausen für Werbung wollte er den Amerikanern das mitunter ereignisarme Spiel schmackhaft machen. Blatter war immer ein Mann der Übertreibung. Er versprach allen alles, wenn es denn der Machtsicherung diente. Den Afrikanern die WM, den Asiaten fünf WM-Teilnehmer. Aus beidem wurde nichts. Mal gab er sich als Förderer des Sportsgeistes, mal als Vertreter von Unternehmensinteressen. Er zeigte sich unfähig zur Zusammenarbeit mit demokratisch legitimierten Gremien des Verbandes. Oft erfuhren deren Repräsentanten von Ideen und Beschlüssen aus der Zeitung.

Im großen Sport aber sind heute nicht Großsprecher gefragt, sondern Diplomaten. Das hat das Internationale Olympische Komitee mit der Wahl des kleinen Doktors Jacques Rogge gezeigt. Der packt Reformen an. Auch im Fußball konnten sich die Zampanos nicht halten. In Spanien ist der Bauunternehmer Jesus Gil y Gil als Präsident mit Atletico Madrid abgestiegen. In Italien muss Premier Silvio Berlusconi sein Amt beim AC Mailand abgeben. Der Franzose Bernard Tapie übt sich in Demut mit Olympique Marseille. Ein gutes Vorbild für Joseph S. Blatter.

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