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Finanzausgleich: Der Bayer hält den Berliner aus

Die Hauptstadt darf nur ausgeben, was sie einnimmt. Wenn man sich den Föderalismus vernünftig vorstellt, dürften historische Altlasten und strukturelle Hindernisse nicht mehr zur Rechtfertigung sanierungswidriger Dauersubventionen herangezogen werden.

Es gab einmal einen Berliner Finanzsenator, der seinem Regierenden Bürgermeister und den Bürgern erklärte: Solange das Land Berlin sein Primärdefizit nicht zurückführe und sich stattdessen eine höhere Ausstattung und höhere Ausgaben erlaube, als jene Stadt- und Flächenstaaten, die zugunsten Berlins in den Länderfinanzausgleich einzahlen müssen, so lange brauche man gar nicht nach Karlsruhe zu ziehen, um für einen höheren Finanzausgleich zu klagen. Dieses Argument war der hilfreiche Hebel für ein hartes Sparprogramm.

Man kann ja über das Verhältnis zwischen Preußen und Bayern denken, was man will, aber heutzutage zahlt Bayern mit seinen 12,5 Millionen Einwohnern jährlich etwa dreieinhalb Milliarden Euro in den horizontalen Länderfinanzausgleich ein, während Berlin mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern ungefähr den gleichen Betrag daraus bezieht (das ist ein Fünftel seiner zu 15 Prozent mit Krediten finanzierten Gesamt-„Einnahmen“), weshalb sich mit einer gewissen Vereinfachung sagen lässt: Mit diesem Betrag halten die Bayern die Metropole der Preußen aus.

Soll es da einen Wunder nehmen, dass die drei verbliebenen Geberländer im Finanzausgleich, nämlich Bayern, Baden-Württemberg, und Hessen nun ihrerseits vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wollen, weil sie es leid sind, in anderen Bundesländern Ausgaben für Vorhaben und Ansprüche zu subventionieren, die sie sich selbst schon abgeschminkt haben?

Im Grunde verweist diese jüngste Klage auf ein massives Grundproblem dieses sogenannten horizontalen Länderfinanzausgleichs – vor allem in Zeiten angesagter öffentlicher Sparsamkeit und Schuldenkontrolle: Wirtschaftet ein starkes Land besser, so hat es nur begrenzt selber etwas davon, denn der allergrößte Teil des Überschusses wandert ab in den Finanzausgleich zwischen den Ländern – daher horizontaler Finanzausgleich. Versucht aber ein schwaches Land seine Defizite zurückzuführen, so führt dies zunächst überwiegend nur dazu, dass seine Ansprüche an den Länderfinanzausgleich entsprechend gekürzt werden. Mit anderen Worten: Bei den Gebern wie bei den Nehmern leistungshemmende Motivationsbremsen!

Dürfte man sich den Föderalismus vernünftig vorstellen, so würde das altbayerische Prinzip „Wer zahlt, schafft an“ umgekehrt in den Satz: „Wer anschafft, zahlt.“ Die Länder würden also stärker ausgestattet mit der Möglichkeit von und der Verantwortung für eigenständige Einnahmen – und könnten nur ausgeben, was sie zuvor eingenommen haben. Historische Altlasten und strukturelle Hindernisse dürften nicht mehr zur Rechtfertigung sanierungswidriger Dauersubventionen herangezogen werden, sondern die leistungshemmenden dieser Zuschüsse müssten nach und nach zurückgefahren werden.

Am Ende würde offengelegt, welche unserer zum Teil ja nur künstlich angelegten Länder wirklich lebensfähig sind – und dann käme es vielleicht sogar tatsächlich zu einer zukunftsträchtigen Länderneugliederung, zu jenem Phantom, das die Geschichte der Bundesrepublik seit ihrer Gründung in ungezählten Entwürfen und Kommissionen begleitet hat.

Aber es wäre ja schon viel gewonnen, wenn es irgendwann dazu käme, dass die Länder Berlin und Brandenburg verschmolzen werden. Beim ersten Anlauf wollten die ohnedies schon armen Brandenburger nicht auch noch für die höhere Pro-Kopf-Verschuldung der Berliner (arm, aber spendabel) aufkommen müssen. Womit wir wieder beim Anfang wären – und bei der Altberliner Einsicht: Armut kommt von der pauvreté.

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