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Finanzausgleich: Umbau ohne Pfusch

Man kann sich die Debatte um den Finanzausgleich eigentlich schenken. Denn alle haben gesamtstaatliche Verantwortung. Und die Südländer wollen ihn gar nicht abschaffen, sie suchen nur wie alle Beteiligten ihren Vorteil. Und haben dabei auch ganz gute Argumente.

Natürlich kann man die Haltung der drei schwarz-gelben Regierungen in Stuttgart, München und Wiesbaden zum Finanzausgleich wortreich und mit einem Dutzend Argumenten abtun. Sie ist dann egoistisch, unsolidarisch, chancenlos, ungerecht. Reine Parteipolitik. Nur ein Wahlkampfschlager für den Südwesten. Die Starken wenden sich gegen die Schwachen. Doch gemach: Man kann sich eine solche Debatte schenken. Denn alle haben gesamtstaatliche Verantwortung. Und die Südländer wollen den Finanzausgleich gar nicht abschaffen, sie suchen nur wie alle Beteiligten vor einer anstehenden Neuverhandlung ihren Vorteil. Und haben dabei auch ganz gute Argumente. Wer dagegen mit Gerechtigkeits- und Solidaritätsfloskeln angeht, der will an einem System festhalten, das politisch wie ökonomisch falsch ist. Genauer gesagt: falsch geworden ist. Denn natürlich ist ein Finanzausgleich eine gute Sache und notwendig. Er dient der nötigen Balance. Doch stellt sich die Frage, welche Effekte das Umverteilen hat und wie weit man es damit treiben sollte.

Hier hat die Bundesrepublik schon seit längerem ein Problem. Der Finanzausgleich hat nämlich sein Ziel – Annäherung der wirtschaftlich schwachen an die potenteren Regionen – nicht erreicht. Und die Nivellierung geht zu weit. Es wird zu viel gefördert und zu wenig gefordert. Deutschland ist zu einer verknöcherten Transferunion geworden. Das muss korrigiert werden. Das Motto dafür lautet: mehr Eigenverantwortung. Dass sich die Nehmerländer wehren, ist kein Wunder. Denn ein Finanzausgleich, dessen Angleichungsgrad nicht mehr bei etwa hundert Prozent liegt, bedeutet mehr Eigenverantwortung in der Etatpolitik. Die aber wird gerne gescheut. Das bestehende System ist für die Regierungen der Nehmerländer im Grunde eine bequeme Sache.

Und damit sind wir bei der deutschen Hauptstadt. Berlin ist Hauptempfängerin im Finanzausgleich, weil man relativ wenig Steuern einnimmt. Dank des Finanzausgleichs macht das aber nichts, das Geld kommt ja aus dem Süden. Das Irrwitzige am bestehenden System ist: Von zusätzlichen Körperschaftsteuereinnahmen, die Berlin durch eine Stärkung seiner Wirtschaftskraft hat, bleiben dem Stadtstaat derzeit nur 3,1 Prozent – wegen der Verrechnung mit dem Finanzausgleich. Politische Bequemlichkeit wird so nicht bestraft, Anstrengungen werden kaum belohnt. Wer sie dennoch unternimmt (und das tun die Nehmerländer ja), hat zu wenig davon. Hier muss angesetzt werden. Außerdem geht die Solidarpaktphase zu Ende, das Argument mit den Kriegsfolgelasten und dem Aufholprozess nach 40 Jahren SED-Misswirtschaft zieht nicht mehr. Eher können nun die West-Länder mit einer Sonderbelastung aufwarten, die der Osten kaum hat: die exorbitante Last der Beamtenpensionen, die sich als Zahlungsversprechen auf 500 Milliarden Euro addieren.

Noch eines: Wer die EU nicht zu einer Transferunion werden lassen will, in der die Deutschen den vermeintlichen oder echten Schlendrian anderswo finanzieren (und das müsste Anliegen aller Parteien sein), der sollte daheim mit gutem Beispiel vorangehen. Denn was sagt man den Griechen, Iren oder Portugiesen, die darauf hinweisen, dass wir innerdeutsch seit Jahrzehnten praktizieren, was wir in Europa so nicht haben wollen? Dass es eine gute deutsche Transferunion gibt und eine schlechte europäische? Die EU wird auch nach dem deutschen Vorbild gebaut. Wenn wir an diesem Bau nun Fehler entdecken, dann sind das möglicherweise jene, die wir schon lange selber machen.

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