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Flüchtlingsstrom: Lampedusas Grenzen

Flüchtlinge aus Nordafrika suchen zu Tausenden den Weg über das Mittelmeer nach Europa - und stellen die EU auf eine harte Probe. Wer aus dem Maghreb in die EU flieht, muss im Zweifel wieder zurückgeschickt werden.

Die Revolution verliert ihre Kinder. Ausgerechnet die jungen Menschen, ohne die der Sturz der despotischen Regime in Tunesien und Ägypten nicht möglich gewesen wäre, machen sich nun auf den Weg Richtung Europa. Seit der vergangenen Woche suchen Flüchtlinge aus Nordafrika zu Tausenden den Weg über das Mittelmeer auf die italienische Ferieninsel Lampedusa.

Diese Menschen stellen die EU auf eine harte Probe: Sollen die Europäer angesichts der Staatskrisen in Tunesien und Ägypten den überwiegend jungen Männern, die von Arbeit und einer Perspektive in der EU träumen, die Tür öffnen? Oder sie doch besser nach Nordafrika zurückschicken, damit aus dem Flüchtlingsstrom demnächst keine Welle wird, mit der die Europäer nicht mehr fertig werden?

Es ist nicht das erste Mal, dass die EU mit einem Massenansturm hoffnungsloser Menschen aus anderen Teilen der Welt konfrontiert ist. 2006 und 2007 gingen dramatische Bilder von Flüchtlingen um die Welt, die sich auf die Kanarischen Inseln, nach Malta und Lampedusa retten wollten. Viele von ihnen ertranken. Seither haben die Europäer das Netz der Grenzkontrollen stetig verfeinert.

Das immer weiter ausgearbeitete Abschirmsystem ändert aber nichts daran, dass sich Tag für Tag weiter Menschen aus Nordafrika, dem Nahen Osten oder Afghanistan in die Hände von Schlepperbanden begeben, um in die EU zu gelangen. Zuletzt benutzten sie ein Nadelöhr auf dem Landweg von der Türkei nach Griechenland – auch dies schließt sich nun. Trotzdem bleibt der Einwanderungsdruck aus den Ländern auf der anderen Seite des Mittelmeers bestehen. Allein ein Blick auf die Demografie zwischen dem Maghreb und Syrien zeigt: Verglichen mit dem „alten“ Europa ist der Anteil der Jungen enorm hoch, die Zahl der Jobs umso geringer.

Einige Lektionen haben die EU-Staaten in den vergangenen Jahren im Umgang mit den Flüchtlingen immerhin gelernt. Wer um Asyl bittet, muss mit menschenwürdigen Zuständen in den Aufnahmelagern rechnen können – so hat es der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof unlängst den Europäern und insbesondere den Griechen ins Stammbuch geschrieben.

Das EU-Asylsystem ist zwar verbesserungswürdig. Man würde es allerdings überstrapazieren, wenn Italien und die anderen EU-Mitglieder einer massenhaften Ankunft von jungen Menschen tatenlos zusehen würden, die trotz der bis jetzt gelungenen Revolutionen in Tunesien und Ägypten ihren Heimatländern den Rücken kehren. Die Nordafrikaner, die das Machtvakuum in Tunesien zur Flucht nutzten, müssen im Zweifelsfall wieder in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Von der Hilfe beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen bis zu einer Verstärkung des Technologietransfers können die Europäer vieles tun, um den weiteren Wandel jenseits ihrer südlichen Grenzen zu unterstützen. Aber eines können sie nicht: die wirtschaftliche Notlage einer gesamten Region durch die Aufnahme von Flüchtlingen im großen Stil lösen.

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