zum Hauptinhalt

Flugverbot: Viel Rauch um Asche

Das tagelange Flugverbot ist nicht nachvollziehbar. Dass in Deutschland eine für den Flugverkehr gefährliche Aschekonzentration auftritt, ist extrem unwahrscheinlich.

Kaum eine Horrorgeschichte wird in diesen Tagen öfter erzählt als die des Fluges British Airways 009 vom 24. Juni 1982. Auf dem Nachtflug von Kuala Lumpur nach Perth in Westaustralien prasselte in 12 000 Meter Höhe plötzlich ein Funkenregen an die Frontscheibe der Boeing 747. Passagiere beobachteten ein merkwürdiges Leuchten aus dem Innern der Triebwerke, in der Kabine roch es nach Schwefel. Dann fielen innerhalb von zwei Minuten alle vier Maschinen aus. 13 Minuten später und 6900 Meter tiefer gelang es der Crew, die Motoren wieder zu starten. Kapitän Eric Moody wurde berühmt für die coolste Ansage der Luftfahrtgeschichte: „Meine Damen und Herren, wir haben ein kleines Problem: Alle vier Maschinen sind ausgefallen. Wir tun unser Bestes, sie wieder in Gang zu bringen. Ich hoffe, Sie sind nicht allzu beunruhigt.“

Der Grund für die Beinahe-Katastrophe stellte sich erst später heraus: Der Jet war in den Ausstoß eines kurz zuvor ausgebrochenen Vulkans geraten. Wegen der Dunkelheit und weil die Asche vom bordeigenen Wetterradar nicht erkannt wird, konnten die Piloten nicht ausweichen. In den letzten 20 Jahren wurden um die hundert Zwischenfälle von Jets mit Vulkanasche registriert, in den schlimmsten Fällen fielen vorübergehend Triebwerke aus. Zum Absturz kam es – bislang – allerdings noch nie.

Die Temperaturen im Inneren eines Jettriebwerkes (etwa 1400-1700 Grad) bringen Vulkanasche teilweise zum Schmelzen. Die flüssigem Glas ähnliche Masse verklebt die Kühlkanäle der Turbinenblätter und andere bewegliche Teile, es kommt zur Überhitzung mit Leistungsabfall und schließlich zum Ausfall des Triebwerkes. Das schlimmste anzunehmende Szenario trat bisher allerdings nur auf, wenn erhebliche Mengen Vulkanasche in einen Jetmotor gerieten. Kapitän Moody flog seine Boeing 747 minutenlang mitten durch die Auswurffahne („Tephra“) des westjavanischen Vulkans Galunggung, der weniger als 150 Kilometer entfernt war. Auch ein weiteres Passagierflugzeug, bei dem einen Monat später an derselben Stelle vorübergehend die Turbinen ausfielen, flog nachts unbemerkt durch die Tephra. Der dritte schwere Zwischenfall dieser Art ereignete sich 1989 in Alaska, als eine Boeing 747 durch die Tephra eines nur 217 Kilometer entfernten Vulkans flog. Alle vier Turbinen konnten danach wieder gestartet werden.

Aufgrund dieser Erfahrungen wird Piloten empfohlen, bei Leistungsabfall durch Vulkanasche die Motoren sofort zu drosseln und unter die Aschewolke zu sinken (früher gab man erst einmal Vollgas, wodurch die Überhitzung verstärkt wurde). In der Regel springen die Turbinen nach dem Abkühlen wieder an, wenn die erstarrten Glaspartikel vom Windstrom weggeblasen wurden. Aus demselben Grund werden Jettriebwerke nach Flügen durch Regionen mit Vulkanasche oder Wüstensand besonders auf Ablagerungen inspiziert – in großen Triebwerken finden sich bisweilen zehn Kilo und mehr, ohne die Leistung zu beeinträchtigen. Sand ist für Jetturbinen allerdings weniger gefährlich als Vulkanasche, weil er erst bei höheren Temperaturen (etwa 1700 Grad) schmilzt. Andere Probleme, etwa eine Verstopfung der Staurohre zur Geschwindigkeitsmessung, sind vergleichsweise harmlos und beherrschbar, wenn sie rechtzeitig erkannt werden. Der oft zitierte „Sandstrahleffekt“, der die Frontscheibe blind machen kann, tritt nur bei extrem hohen Partikelkonzentrationen auf.

Der isländische Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen ist 2000 Kilometer von Hamburg entfernt – in einer derartigen Distanz kam es noch nie zu ernsten Zwischenfällen. Dass in Deutschland eine für den Flugverkehr gefährliche Aschekonzentration auftritt, ist extrem unwahrscheinlich. Die für eine genaue Messung notwendigen Laser-Radargeräte (LIDAR, Light Detection and Ranging) stehen kaum zur Verfügung – ein sträfliches Versäumnis, das jetzt viele Milliarden kostet.

Das tagelange Flugverbot ist nicht nachvollziehbar. Mangels genauer Messdaten wäre es pragmatisch, jede Maschine nach der Landung auf Aschereste zu inspizieren – dann wüsste die Flugsicherung sehr genau, in welcher Höhe sich wie viele Partikel befinden.

Eine ungefähre Schätzung der Partikeldichte kann übrigens jeder auch ohne LIDAR-Gerät anstellen: Wie beim „Saharasand“ würde eine große Aschekonzentration zu unnatürlich roten Sonnenuntergängen und orangefarbener Trübung des Himmels führen. Davon war aber bislang nichts zu sehen.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false