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Meinung: Formel 1 geht nicht in Serie

Warum Rennwagen der Autoindustrie wenig bringen

Die Formel-1-Kommission des Automobil-Weltverbandes FIA ist vergangene Woche auf die Technikbremse getreten. Damit soll der Vorsprung der reichen Rennställe vor den kleineren verringert werden. Das Können der Fahrer rückt wieder stärker in den Vordergrund. Die technische Aufrüstung, die bisher stattgefunden hat, mag damit ein wenig verzögert werden. Doch die immer gern verbreitete Mär vom Nutzen des Formel-1-Zirkusses für die Serienproduktion der Autos wird dadurch nicht richtiger.

Wie berichtet, dürfen von dieser Saison an – unter anderem – weder Startautomatik noch elektronische Traktionskontrolle eingesetzt werden, zudem sind die Übermittlung von Fahrzeugdaten per Funk zu den Boxen und zurück sowie die Kommunikation zwischen Fahrer und Rennstall untersagt.

Aber auch so haben die 600-Kilo-Boliden mit ihren fast 900 PS mit herkömmlichen Fahrzeugen nichts mehr zu tun. Diese Leistung wird aus nur drei Litern Hubraum geholt, und zwar ohne Turbolader, denn den verbietet das Reglement schon länger. So viel Kraft kommt nur durch immense Drehzahlen von 18 000 Touren pro Minute zu Stande – gut dem Dreifachen dessen, was ein Automotor aus normaler Serie verkraftet. Der Einsatzzweck bestimmt den Aufbau und die Materialien – die Unterschiede zu Alltagsautos sind einfach zu groß geworden.

Wenn man der Technik genauer nachspürt, war es eher die Luftfahrt, die den Autobau beflügelt hat. Die Grand Prix mögen dann dazu gedient haben, die Neuerungen auf ihre Belastbarkeit zu überprüfen – etwas, was heute in Labors, ja bereits im virtuellen Computerraum zuerst stattfindet, bevor es auch nur auf eine Testfahrt geht.

Betrachtet man die wichtigsten technischen Erfindungen, die heute in unseren Autos stecken, dann wird deutlich, dass der Rennsport gar nicht so innovativ auf den Serienbau einwirkte, wie oft behauptet wird. Ein paar Beispiele? Beginnen wir beim Thema Aerodynamik. Bereits die Konstrukteure von Luftschiffen merkten schnell, wie wichtig die Gestalt für die Lenkbarkeit und das Tempo der schwebenden Zigarren ist. Denn der Luftwiderstand bestimmt die Höchstgeschwindigkeit, die mit einer bestimmten Motorleistung zu erzielen ist sowie den Kraftstoffverbrauch.

Auf den Boden geholt und auf Räder gestellt wurde eine solche Torpedo-Form von Camille Jenatzy mit seinem Elektroauto „La Jamais Contente". Es folgten jene Konstrukteure, die nach dem für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg keine Flugzeuge mehr bauen durften und deshalb Autos konstruierten. Zum Beispiel Edmund Rumpler mit dem „Tropfenwagen“ und Paul Jaray mit seinen Stromlinien-Studien. Sie setzten sich zu Anfang der 30er Jahre durch.

Weiter: Der Gedanke, den Motoren mit Hilfe von Kompressoren mehr Luft zu verschaffen, stammt aus der Fliegerei. Denn oben wird der Sauerstoff mit der dünneren Luft knapper. Als die Flugmanöver immer waghalsiger wurden, kamen Vergaser an ihre Grenzen: der Kraftstoff wurde fortan in die Brennräume gespritzt, lange bevor es im Autobau so weit war. Und der erste Auto-Turbolader lief 1938 in einem Diesel-Lkw …

Beispiel Bremsen: Das Antiblockiersystem, das heute in fast keinem Auto mehr fehlt, half frühzeitig, Landeunfälle auf Flugzeugträgern zu vermeiden. Und die Scheibenbremse wurde zwar von dem englischen Autohersteller Frederick Lanchester aus Birmingham 1902 entwickelt, stoppte später aber vorrangig Jets, bevor die Großserie von Citroëns DS 19 im Jahr 1955 begann.

Technologietransfer hat es also durchaus gegeben. Aber eben aus der Luftfahrt, die wesentlich größere technische Ansprüche stellte. Davon profitierten beide: Rennwagen und Familienkutschen.

Gideon Heimann

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