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Meinung: Forschung gut, alles gut

Die Aufgabe des Berliner Universitätsklinikums Rudolf Virchow ist sinnvoll– und vielleicht sogar revolutionär/Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Der Krimi um die Berliner Hochschulmedizin war spannend bis zur letzten Minute. Spätestens als die Expertenkommission im August die „ständigen Gäste“ der betroffenen Fakultäten nicht mehr dabei haben wollte, war klar, dass ein großer Wurf bevorstand. Als durchsickerte, dass es keinen Privatinvestor, sondern eine 98Millionen-Sparlösung geben würde, stieg die Spannung unerträglich: Schließung des Uniklinikums Benjamin Franklin? Umzug der FU-Professoren? Erwischt es den Standort Mitte der Charité, etwa durch Aufgabe des maroden Bettenhauses? Am Montag war die Überraschung perfekt. Das Opfer ist keiner der gehandelten Todeskandidaten, sondern ein Dritter: das Virchow-Klinikum im Wedding.

Ausgerechnet das am besten ausgestattete Krankenhaus aus der Universität ausgliedern? Das hat durchaus Sinn. Das Virchow-Klinikum ist stark in der Krankenversorgung, hat aber kaum Infrastruktur für die Forschung: gute Voraussetzungen für den Verkauf an einen privaten Investor, aus dessen Erlösen Berlin aber womöglich mehrere hundert Millionen Euro hochschulspezifischer Fördermittel an den Bund zurück zahlen müsste. Da ein eigener Forschungscampus fehlt, sind wissenschaftlich engagierte Ärzte des Virchow-Klinikums derzeit ständig zwischen den Berliner Vierteln Wedding, Buch und Mitte auf Achse. Die Konzentration auf die beiden Standorte Mitte und Steglitz/Dahlem ist daher gut für die medizinische Forschung.

Zugleich macht der Vorschlag die Krankenversorgung der Stadt effizienter. Der größte Teil der Bürgerleiden erfordert keine Universitätsklinika der „Supramaximalversorgung“. Dennoch erhöhen diese mit den geringe Kosten verursachenden Normalpatienten gerne ihre Auslastung nach dem Motto: „Wo ein Bett ist, ist auch ein Patient“. Wer da als Allerweltsfall liegt, wird von kongresstourenden Professoren und munter übenden Studenten nicht besser bedient als im kommunalen oder privaten Krankenhaus.

Mit der Neustrukturierung hätte die Universitätsmedizin die Chance, sich wieder stärker auf Forschung und Lehre zu konzentrieren. Damit dies gelingen kann, muss der demnächst von 260 auf 162 Millionen Euro reduzierte Landeszuschuss langfristig gesichert werden –ein vergleichsweise geringer Preis für hervorragende Forschung und Medizin in der Hauptstadt. Die zweite, ungleich schwierigere Aufgabe müssen die Professoren selbst bewältigen: die Vereinigung der beiden medizinischen Fakultäten und die Neustrukturierung der Krankenversorgung an zwei Standorten. Damit dieses einmalige Projekt nicht gleich in Eitelkeiten und Machtkämpfen untergeht, hat die Kommission der Hochschulmedizin professionelle Strukturen verordnet: wirtschaftliche Unabhängigkeit als GmbH oder öffentlich-rechtliche Anstalt, der Dekan und der Ärztliche Direktor werden nicht mehr wie Klassensprecher gewählt, sondern hauptamtlich eingestellt. Wenn dies gelingt, hätte die Berliner Finanzmisere eine kleine Revolution in der verkrusteten deutschen Hochschulmedizin vollbracht. Aber dazu müssen sich die misstrauischen Professoren jetzt zusammenraufen.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle-Wittenberg. Foto: J. Peyer

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