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Meinung: Forza, Italia

Berlusconi ist schlecht für Europa: Er hat die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verringert

Als das Phänomen Berlusconi noch jung war, sahen die europäischen Kommentatoren ein neues Zeitalter anbrechen. Ein moderner, sanfterer Faschismus schien heraufzudämmern. Einer, der auf Unterdrückungsmechanismen nicht mehr angewiesen war, sondern sich die Wähler über die von ihm kontrollierten Medien gleich selbst erzog. Mangels Neuigkeitswert hat das Phänomen inzwischen an Reiz verloren – was aber nicht heißt, dass diejenigen Recht behalten haben, die in Berlusconi kaum mehr als einen Operetten-Premier romanischer Prägung sahen. Der Medienzar ist zwar kein Mussolini des Digitalzeitalters. Aber die letzten Jahre haben gezeigt, dass das demokratische System der Gewaltenteilung auch ohne Diktator und Machtergreifung bröckeln kann.

Was in Italien passiert, ist doppelt besorgniserregend für Europa. Weil sich gezeigt hat, wie viel in unserer politischen Kultur und Demokratie davon abhängt, ob auch die ungeschriebenen Regeln des politischen Anstands, der Fairness und des Respekts vor den Institutionen eingehalten werden. Und zwar schon weit unterhalb der Schwelle, an der solche Fragen gesetzes- oder verfassungsrelevant werden.

Weil die italienische Wahl aber auch unser Leben tangiert: Sollte Berlusconi gewinnen und sein Projekt der Institutionenzersetzung weiterführen, wird das von der Kriminalitätsbekämpfung bis zur Verlässlichkeit Italiens in vielen anderen Bereichen auch die Funktionsfähigkeit Europas beeinträchtigen. Anders gesagt: Wenn Italien hinkt, stolpern wir mit.

Dabei ist das beileibe nichts Neues. Italien war in den Nachkriegsjahrzehnten stets eine in Teilen dysfunktionale Demokratie. Der seltsame Fall einer überbordenden Bürokratie und eines dennoch schwachen Staates – und das mit Politikern, von denen manche einen Pakt mit der Mafia schlossen, andere sich von Unternehmern korrumpieren ließen und fast allen daran gelegen war, den Staat unter ihresgleichen zu verteilen.

Nach dem Zusammenbruch der alten Republik war Italien von Mitte der 90er Jahre an auf einem guten Weg. Der Kollaps der korrupten Democrazia Cristiana, die Antimafia-Bewegung in Sizilien, die Schmiergeldprozesse in Mailand weckten Hoffnung auf die Normalisierung des europäischen Gründerstaates. Mit Berlusconi trat dann aber nicht nur ein neuer Politikertypus auf die Bühne, spätestens mit seiner zweiten Amtszeit kehrte auch die wohl bekannte Anomalie des Landes zurück.

So addieren sich in Italien heute auf bedrohliche Weise die Probleme des alten Europa (Reformstau und demographische Krise) mit denen des alten Italien. Zudem haben sich die Rahmenbedingungen verändert. Schon die Klientelpolitik der Nachkriegsjahrzehnte hatte einen hohen Preis und bescherte Italien eine Rekordverschuldung von mehr als 120 Prozent des BIP, die bis heute nicht unter 100 Prozent gedrückt werden konnte. Zusätzlich führt die Globalisierung nun aber zu einem verschärften Wettbewerb, der eben auch ein Wettbewerb um effizientere Institutionen und bessere Politik ist. Hier ist Italien schlechter aufgestellt denn je, weil Berlusconi nicht einmal das getan hat, wofür er vor fünf Jahren gewählt wurde: das Land zu reformieren. Das Nullwachstum im vergangenen Jahr zeigt, dass der Mann aus der Wirtschaft nur sich, nicht aber das Land vermochte zu sanieren. Eine weitere Amtszeit Berlusconis wäre deshalb nicht nur schlecht für Italien, sie wäre auch eine Hypothek für die Zukunft Europas.

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