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Fracking hat viele Gegner. Gerade in den USA machen Intellektuelle und Künstler Opposition, zum Beispiel Yoko Ono.

© AFP

Fracking: Ohne Schiefergas geht es nicht

Fracking, die Erschließung von tief liegendem Schiefergas, sollte verbessert und nicht verteufelt werden, meint unser Autor. Denn Erdgas und Erdöl sind nach wie vor entscheidende Energieträger. Sie befeuern Kraftwerke, die sauberer sein sollen als die viel gescholtenen Kohlemonster.

Schon lange hat Bergbau hierzulande nicht mehr so viele Menschen bewegt wie derzeit. Diesen Eindruck erhält man jedenfalls, wenn es um Schiefergas geht. Angeregt wird auf Partys über dichte Gesteinsformationen, kilometertiefe Bohrungen und Wasserinjektionen mit bis zu 1000 bar diskutiert, als gäbe es keinen Fußball und keine Kinofilme. Natürlich muss das brutal klingende Wort „Fracking“ fallen, der Hinweis, dass „massenhaft Chemikalien“ nach unten gepumpt werden, und die Einschätzung, dass durch die Technik Erdbeben ausgelöst werden oder das Grundwasser verseucht wird, oder beides.

Diese „Gefahr“ ist für Deutschland vorerst gebannt. Ende Februar einigten sich der Bundesumweltminister und der Bundeswirtschaftsminister auf Regeln, wann die Schiefergasförderung mittels Fracking möglich sein soll: im Prinzip auf absehbare Zeit gar nicht, so wollte Peter Altmaier den Kompromiss verstanden wissen. Die Regeln müssen zwar noch durch den Bundestag beziehungsweise den Bundesrat, doch es ist gut möglich, dass – sollte es dort Änderungen geben – diese die neue Fördertechnologie noch mehr behindern. Vor allem SPD und Grüne übertreffen einander mit Formulierungen, wie „unverantwortlich und überflüssig“ diese „Risikotechnologie“ sei.

Diese Verweigerung ist kurzsichtig und wird dazu führen, dass das Thema immer wieder kommt. Erdgas und Erdöl sind nach wie vor entscheidende Energieträger. Sie befeuern Autos und Heizungen ebenso wie Kraftwerke, die sauberer sein sollen als die viel gescholtenen Kohlemonster. Kraftwerke, die jene Lücken schließen, die die erneuerbaren Energien noch auf Jahrzehnte nicht füllen können. Auch die Chemieindustrie ist ohne Kohlenwasserstoffe undenkbar. Sie fertigt daraus eine Fülle von Produkten, vom Smartphone bis zum Windradflügel.

Unsere Gesellschaft ist süchtig nach Kohlenstoff. Noch kann sie sich dank herkömmlicher Lagerstätten bei Laune halten. Doch werden Bohrtürme in immer unwirtlicheren Gegenden errichtet, damit die Party nicht aufhört. Das wird kritisiert, etwa anlässlich des Desasters im Golf von Mexiko vor drei Jahren. Getankt und geheizt wird dennoch. Ebenso wird es mit Schiefergas sein. Je weniger konventionelles Gas verfügbar ist, umso größer wird das Verlangen, auch diese Quelle zu erschließen.

Noch haben wir etwas Zeit, bis es richtig schmerzt. Wir sollten sie nutzen: für eine genaue Erkundung des Untergrunds, um die Schiefergaspotenziale besser einschätzen zu können. Und um die Technik weiterzuentwickeln, damit die Ausbeute erhöht und Umweltrisiken verringert werden. Das geht aber nur, wenn die Politik und große Teile der Bevölkerung ihre Blockadehaltung aufgeben. Statt alles zu verbieten, wäre es klüger, zunächst einige wenige, wissenschaftlich begleitete Pilotvorhaben zu starten, die in Ruhe den offenen Fragen nachgehen. Etwa der, ob die Frac-Flüssigkeit tatsächlich ins Grundwasser gelangt. Ideen gibt es einige. Man könnte zum Beispiel ungiftige Markierstoffe – Tracer genannt – dem Fluid hinzufügen und dann über ein dichtes Messnetz im Grundwasser verfolgen, ob die Boten dort ankommen.

Das Wissen, das die Fachleute sammeln, nützt nicht nur bei der Schiefergasförderung in Deutschland. Hier sind die Ressourcen begrenzt und würden wahrscheinlich nur die sinkende Ausbeute aus konventionellen Quellen ausgleichen. Andere Länder wie Polen, Südafrika oder China verfügen über wesentlich größere Vorkommen an Schiefergas. Es gibt keine schlüssige Begründung, warum diese Länder, die bislang vor allem als Kohleproduzenten auffallen und in denen der Energiebedarf noch spürbar steigen wird, diesen Rohstoff nicht nutzen sollten. Auch um sich unabhängiger von Importen zu machen: Polen etwa bezieht 60 Prozent seines Erdgases aus Russland. All diese Länder sind potenzielle Märkte für Schiefergasexperten aus Deutschland.

Allerdings sieht es im Moment so aus, als würde diese Chance vertan. Schiefergas? Nein, danke. Wir bekommen zuverlässig Gas aus Russland. Unter welchen Bedingungen es dort gewonnen wird, wollen wir lieber nicht wissen. Und auch nicht, wie das Schiefergas in Polen gefördert werden wird, das vermutlich in ein paar Jahren nach Deutschland exportiert wird – wenn wir wieder frischen Stoff brauchen.

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