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Frank-Walter Steinmeier: Drei Schüsse, drei Eigentore

Außenminister Frank-Walter Steinmeier galt stets als perfekt. Doch in den vergangenen zwei Wochen hat er sich gleich dreimal im Ton vergriffen. Plötzlich zeigt Dr. Makellos Unsicherheiten und macht Fehler.

Die Maschine wird menschlich. Sie läuft nicht mehr rund. Sie fängt an, Fehler zu machen. Die Rede ist von Frank-Walter Steinmeier, dem Bundesaußenminister. Er, der überperfekte Dr. Makellos, der ameisenfleißige Aktenfresser, die graue Effizienz, der unauffällige Technokrat und Staatsdiener per excellence, ausgerechnet er hat sich in den vergangenen zwei Wochen drei Mal kräftig im Ton vertan. Weil von Deutschlands Chefdiplomat in erster Linie richtige Töne erwartet werden, sind die drei Missklänge mehr als Petitessen. Sie zeugen von etwas, das dieser Mann nie hatte: Unsicherheit.

Fall eins. "Nichts deutet darauf hin, dass er ermordet wurde, alles weist darauf hin, dass er den Strapazen erlegen ist, die ihm seine Entführer auferlegt haben." Das sagte Steinmeier, nachdem die Taliban behauptet hatten, die deutsche Geisel Rüdiger D. erschossen zu haben. Sie wurde erschossen. Das weiß man inzwischen. Der Außenminister hatte sich an eine Hypothese geklammert, weil er der Propagandaoffensive der Gotteskrieger etwas entgegensetzen wollte. Frei nach dem Motto: Was die können - die Medien zu instrumentalisieren -, kann ich schon lange.

Fall zwei. "Wir sollten uns als Deutsche nicht als Berater in Stilfragen aufspielen." Das sagte Steinmeier, um den Atomkraftwerksdeal und das gigantische Rüstungsabkommen zu rechtfertigen, das Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit dem libyschen Diktator Muammar Gaddafi geschlossen hat, als Gegenleistung für die Freilassung der sechs unschuldigen Menschen, die acht Jahre lang in libyschen Gefängnissen saßen und dort offenbar schwer gefoltert worden waren. Wie bitte? Erpresserischer Menschenraub soll sich dreist auszahlen dürfen - und dann noch mit der Lieferung von Atomtechnologie an einen arabischen Despoten, während Steinmeiers Parteifreund Sigmar Gabriel kein Mikrofon auslässt, um eben jene Technologie zu verdammen?

Fall drei. "Dieses Verbrechen darf nicht ungesühnt bleiben." Das sagte Steinmeier, nachdem das Obduktionsergebnis gezeigt hatte, dass Rüdiger D. tatsächlich erschossen worden und nicht an den Entführungsstrapazen gestorben war. Nicht ungesühnt bleiben - das klingt nach mehr als Recht und Gesetz, es klingt martialisch, nach Waffeneinsatz und Militär. Aber wie wird es aussehen, wenn im Herbst über die Verlängerung der Afghanistan-Mandate abgestimmt wird und ein Teil der Sozialdemokraten für die Aufkündigung der Solidarität mit den USA im Kampf gegen den Terror votiert? Ist das dann die Sühne für den Mord, die der Außenminister im Sinn hatte? Steinmeier ist der beliebteste Sozialdemokrat. Im Oktober will sich der 51-jährige Jurist zum stellvertretenden Parteivorsitzenden wählen lassen. Sein Mentor, Gerhard Schröder, hatte in ihm schon früh das Zeug zum Kanzler ausgemacht. "Der könnte das", urteilte er knapp über seinen ehemaligen Kanzleramtschef. Doch nun produziert die für ihn ungewohnte Daueröffentlichkeit, in der Steinmeier seit seinem Amtsantritt als Außenminister steht, erste Verschleißerscheinungen. Der stets Urteilssichere schwankt. Der stets Umsichtige verhaspelt sich. Vielleicht braucht er ja nur mal eine Pause.

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