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Gute Stimmung machen auf dem Großmarkt: Francois Hollande.

© AFP

Frankreich: Reichensteuer: Der Knall verhallt

Hollandes Reichensteuer war nie viel mehr als ein Wahlkampftrumpf. Es ist gut, dass er das Gesetz nun wenigstens nach verfassungsmäßigen Prinzipien gestalten muss.

Es war der Knüller, mit dem der Sozialist François Hollande vor einem Jahr gegen den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy in den Präsidentschaftswahlkampf zog. Mit niemandem hatte er über seinen Vorschlag, auf Einkommen von über einer Million Euro eine Steuer von 75 Prozent einzuführen, vorher gesprochen. Selbst der Steuerexperte in seinem Wahlkampfteam, der heutige Budgetminister Jérôme Cahazuc, war von dem Versprechen überrascht worden. Auf die Idee soll der heutige Präsident in einem Gespräch mit dem früheren Widerständler und Diplomaten Stéphane Hessel, dem Autor des inzwischen in mehrere Sprachen übersetzten Aufrufs „Empört Euch!“, gekommen sein. Die Unterhaltung soll sich unter anderem darum gedreht haben, wie in den USA in der großen Krise 1929 beispiellose Steuererhöhungen für Millionäre eingeführt wurden.

Hollande, der einmal gesagt hatte, er liebe die Reichen nicht, fand daran Gefallen und hielt an dem Vorschlag gegen alle Bedenken aus den eigenen Reihen und die Kritik seines Wahlkampfgegners Nicolas Sarkozy fest. Offenbar zu Recht. Denn nach Meinung von Wahlkampfexperten trug die Idee maßgeblich zu seinem Wahlsieg bei. Knapp zwei Drittel der Franzosen billigten laut Umfragen Hollandes Forderung, in Zeiten der Krise die Reichen stärker zur Sanierung der Staatsfinanzen heranzuziehen. Diese Zustimmung äußerten mit über 80 Prozent besonders stark Wähler mit politischen Sympathien für die Linke, während 76 Prozent der Befragten mit politischen Präferenzen für die Rechte die Forderung ablehnten.

Die Kontroverse über dieses Wahlkampfversprechen beschäftigte in der Folge die französische Politik wie kaum ein anderes. Die Auswanderung von Spitzensportlern, Stars des Showgeschäfts, Unternehmern und anderen Großverdienern wurde beschworen – mit einigem Recht, wie der Fall des Schauspielers Gérard Depardieu zeigt, dessen Umzug nach Belgien Schlagzeilen im In- und Ausland machte. Das beeindruckte Hollande genauso wenig wie der Spott des britischen Premierministers David Cameron, der sich bereit erklärte, französischen Unternehmern den roten Teppich auszurollen. Wie hätte Hollande, der sechs Monate nach seinem Amtsantritt auf ein Popularitätstief abgerutscht ist, ausgerechnet ein Wahlkampfversprechen von dieser symbolischen Bedeutung brechen können, ohne seine letzten Sympathien zu verspielen?

Um mehr als ein symbolisches Gesetz geht es bei dem „außerordentlichen Solidaritätsbeitrag“, wie die „vorübergehend“ für zwei Jahre geplante 75-Prozent-Steuer getauft wurde, nicht. Das auf 210 Millionen Euro geschätzte Aufkommen lohnt kaum den Aufwand. Doch die Frage, ob der Einspruch des Verfassungsrats nicht die Gelegenheit wäre, das Projekt ganz fallen zu lassen, stellt sich für Hollande nicht. Seine Regierung will nun tun, was sie gleich hätte tun sollen: eine Vorlage einbringen, die unabhängig vom politischen Für und Wider einer Reichensteuer wenigstens den verfassungsmäßigen Prinzipien der Gleichheit bei der Besteuerung entspricht.

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