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Demonstrantinnen in Indien verlangen einen besseren Schutz von Frauen vor Gewalt.

© AFP

Frauenpolitik: Die Außenpolitik muss mehr für Frauenrechte tun

Der Fall in Indien zeigt: Die Außenpolitik muss sich mehr um Frauen kümmern. Gerade sie sind oft der Schlüssel zur politischen und gesellschaftlichen Entwicklung.

Von Anna Sauerbrey

Manal al Sharif wurde 2011 verhaftet. Die junge Frau aus Saudi-Arabien war Auto gefahren, hatte sich dabei filmen lassen und das Video ins Internet gestellt. Sie wurde nur unter Auflagen freigelassen.

Die 15-jährige Malala Yousafzai wurde im Oktober in Pakistan in einem Schulbus angegriffen und erlitt schwere Schussverletzungen am Kopf. Sie hatte sich für das Recht von Mädchen auf Bildung eingesetzt. Sie überlebte nur knapp, ihre Familie floh mit ihr nach Großbritannien.

Fatma Salman, Abgeordnete der türkischen Regierungspartei AKP, erschien im Dezember mit Blutergüssen im Gesicht im Parlament. Sie war von ihrem Mann, von dem sie sich scheiden lassen wollte, verprügelt worden.

Am vorvergangenen Samstag ist eine 23-jährige indische Studentin verstorben, nachdem sie in Neu-Delhi von sechs Männer vergewaltigt und schwer misshandelt worden war. Sie war mit ihrem Freund auf dem Heimweg von einem Kinobesuch.

Vier Fälle, die in den vergangenen Monaten die Aufmerksamkeit internationaler Medien erregt haben und die auch in den Ländern, in denen die Frauen lebten, Menschen bewegten. Doch die vier Fälle stehen merkwürdig unverbunden nebeneinander. Die mangelhafte Durchsetzung von Frauenrechten weltweit wird oft nicht als zusammenhängendes Problem betrachtet. Sie ist kein zentrales Thema der deutschen Außenpolitik und wird im Vergleich zu anderen Menschenrechtsthemen von den Vereinten Nationen nur selten auf die Agenda gesetzt.

Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe. Es liegt zum einen daran, dass die Benachteiligung von und die Gewalt gegen Frauen auf grauenvolle Weise vielfältig ist. Frauen werden rechtlich benachteiligt wie in Saudi-Arabien, sie sind häufig Opfer kulturell bedingter und sexueller Gewalt wie in Pakistan und Indien. Frauen sind häuslicher Gewalt ausgesetzt – in der Türkei, aber auch in westlichen Industrieländern. Frauen werden zu Hausangestellten versklavt, in Ehen gezwungen und mit Säure attackiert. Ihre Genitalien werden verstümmelt, sie werden wegen ihrer Mitgift ermordet und sind häufiger als Männer Opfer von Menschenhandel. Zwei Drittel aller Analphabeten sind Frauen.

Viele dieser Benachteiligungen und Grausamkeiten finden jenseits der Öffentlichkeit statt. Während die politischen Gerechtigkeitsdefizite eines Landes offensichtlich sind, bleibt Gewalt gegen Frauen oft unbemerkt. Gewalt gegen Frauen ist latent, selten gibt es konkrete Anlässe, die das Thema auf die internationale politische Agenda setzen könnten. Zudem sind in vielen Ländern, wie in Indien auch, Frauen formal rechtlich gleichgestellt, ihre Benachteiligung durch kulturelle, traditionelle oder religiöse Gründe bedingt. Die internationale und deutsche Menschenrechtspolitik aber ist fokussiert auf das sichtbare, das staatliche Unrecht.

Frauenrechte als Verkaufsargument

Im Jahr 2000 gab es einen Versuch, Frauenrechte international stärker in den Blick zu nehmen. Die Mitgliedsstaaten der UN bekräftigten mit der Resolution 1325, die Teilhabe von Frauen am öffentlichen Leben zu stärken. Zwar hat das Thema dadurch nach Ansicht von Entwicklungspolitikern an Prominenz gewonnen, im Vergleich zur Anzahl der betroffenen Menschen aber und im Vergleich zum Ausmaß der Gewalt findet es noch immer zu wenig Beachtung. Auch der Bericht des Auswärtigen Amtes zehn Jahre nach der Resolution listet unter „Was Deutschland konkret getan hat“ alle möglichen entwicklungspolitischen Projekte auf, von denen jeweils „auch Frauen“ profitierten, gezielte Projekte sind auf den ersten Blick nur wenige darunter. Natürlich ist Menschenrechtspolitik ein mühseliges Feld, die Appelle westlicher Regierungschefs bei Staatsbesuchen sind häufig eher eine Konzession an die kritische Öffentlichkeit in der Heimat, als dass sie echte Wirkkraft hätten. Zumindest Kongruenz aber wäre wünschenswert. Denn als Verkaufsargument werden Frauenrechte durchaus gern verwendet, so etwa 2001, als es galt, den deutschen Afghanistan-Einsatz zu rechtfertigen.

In der Entwicklungspolitik wird die Benachteiligung von Frauen bereits stärker als Gesamtproblem verstanden. Die Stärkung von Frauen gilt als Schlüssel für die politische und ökonomische Entwicklung. Frauen sind es, die in vielen Ländern hauptverantwortlich für den Haushalt, die (Kleinst-)landwirtschaft, die Kindererziehung und die Krankenpflege sind, ihre Ausbildung gilt nicht nur der Weltgesundheitsorganisation als wichtiger Faktor im Kampf gegen den Hunger, die Überbevölkerung, gegen HIV, für bessere Hygiene. Die 2011 verstorbene kenianische Politikerin Wangari Maathai etwa, die 2004 den Friedensnobelpreis erhalten hat, sah Frauenpolitik auch als Umweltpolitik, etwa für einen schonenderen Umgang mit Wasser.

Dieser Ansatz zeigt, dass es sich lohnt, die Gewalt gegen und die Benachteiligung von Frauen als zusammenhängendes Problem zu betrachten und die Stärkung von Frauen weltweit als politisches Ziel von Außenpolitik zu definieren – so mühevoll die Umsetzung auch sein mag.

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