zum Hauptinhalt
Ekin Deligöz

© Promo

Frauenquote für Aufsichtsräte: Die deutsche Arbeitskultur ist zu männlich

Eine Frauenquote für Aufsichtsräte ist auch wirtschaftlich sinnvoll. Gemischte Teams arbeiten effektiver und Firmen mit gemischten Führungsstrukturen sind dementsprechend erfolgreicher.

Es ist wieder Zeit für eine Sternstunde im Parlament. Die gibt es immer dann, wenn es uns gelingt, über Fraktionsgrenzen hinweg wichtige Dinge gemeinsam zu entscheiden. Das war bisher möglich bei klaren „Gewissensentscheidungen“, insbesondere bei Fragen, die den Anfang und das Ende des Lebens betreffen: Patientenverfügung, Embryonenschutz und aktuell die Präimplantationsdiagnostik (PID). Sternstunden des Parlaments gab es auch dann, wenn Frauen im Parlament sich einig waren: 1996 waren es die Mandatsträgerinnen verschiedener Fraktionen, die den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung – als Reaktion auf die Debatte um den §218 StGB – im Gesetz verankerten. Oder die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, die erst 1998 von den Parlamentarierinnen gemeinsam durchgesetzt wurde.

Der 100. Frauentag im März ist ein würdiger Anlass, um dem Parlament wieder zu einer Sternstunde zu verhelfen. Gelingt es uns, bis dahin einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur Frauenquote in Führungsetagen auf den Weg zu bringen, wäre das ein großer Erfolg. Die Rahmenbedingungen sprechen dafür. Andere Länder wie Norwegen, die Niederlande oder Frankreich machen vor, wie es geht. In den Parteien ist viel Bewegung. Selbst die CSU hat auf ihrem Parteitag erste Quoten beschlossen.

Wir haben einen Entwurf für die konkrete Umsetzung in den Bundestag eingebracht. Er sieht ein paar kleine, aber sehr effektive Änderungen im Aktienrecht vor. Ab 2015 wollen wir für börsennotierte Unternehmen und Unternehmen mit Arbeitnehmermitbestimmung eine Mindestquote im Aufsichtsrat für beide Geschlechter von 30 Prozent und ab 2017 von 40 Prozent. Die Nichteinhaltung der Quote soll sanktioniert werden: Beschlüsse eines quotenwidrig zusammengesetzten Aufsichtsrats sind nichtig. Wenn wir hier erfolgreich sind, wird es nicht mehr lange dauern, bis wir auch die Vorstände angehen können und die gläserne Decke in den Chefetagen durchbrechen.

Frauen ziehen Frauen nach – das gilt allerdings nur, wenn ihre Anzahl in den verantwortungsvollen Positionen eine „kritische Masse“ erreicht, nur dann gibt es wirkliche Veränderungen. Den meisten Parlamentarierinnen und Parlamentariern ist längst klar: Frauen bringen den anderen Blick auf Entscheidungen in den wichtigen Gremien. Ihr Potenzial nicht zu heben ist ein großes Versäumnis – gerade auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des absehbaren Fachkräftemangels. Gemischte Teams arbeiten effektiver und Firmen mit gemischten Führungsstrukturen sind dementsprechend erfolgreicher. Es ist also nicht zuletzt eine Frage der Wirtschaftlichkeit für die Unternehmen.

Ich bin überzeugt, dass Veränderungen in der Arbeitskultur männlichen wie weiblichen Beschäftigten nutzen. Festgefahrene männliche Verhaltensriten gefallen längst nicht allen Männern. Lange und familienunfreundliche Arbeitszeiten sowie der Anspruch ständiger Verfügbarkeit schrecken nicht nur Frauen, sondern auch Männer ab. Daher müssen wir gleichzeitig an den Arbeitsstrukturen etwas ändern und mehr Frauen in diese Jobs bekommen.

Frauen haben bei den guten Universitätsabschlüssen längst aufgeholt oder die Männer bereits überholt. Die Männerquote bei den Vorstandsposten der Dax-Unternehmen liegt aber immer noch bei 98 Prozent. Deutlicher lässt sich kaum darstellen: Die Leistungen der Frauen alleine reichen also nicht, um die gläserne Decke zu durchbrechen. Wir brauchen einen anderen Schub.

Dieser Schub sollte und kann aus dem Parlament kommen. Den ersten Gesetzentwurf haben wir Grünen vorgelegt und haben dafür viel Zustimmung erhalten – nur nicht von der FDP, die immer noch glaubt, der Markt würde es schon richten. Aus allen anderen Fraktionen kam Unterstützung. Unser Entwurf ist daher eine Einladung an alle, ein gemeinsames Bündnis zu schließen.

Die Autorin ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag.

Ekin Deligöz

Zur Startseite