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Meinung: Freiheit hilft der Umwelt

Köhlers verpasste Chance in China: Wer Menschenrechte thematisiert, schützt das Klima

Eine Stunde ist nicht viel Zeit, wenn man einem der mächtigsten Männer der Erde gegenübersitzt. Bundespräsident Horst Köhler hat sein Treffen in Peking mit Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao für ein Thema genutzt, das ihm am Herzen liegt: die globale Verantwortung von Staaten im Umwelt- und Naturschutz. Wie kann ein Land wie China mit 1,3 Milliarden Menschen und zweistelligen Wachstumsraten als Industrienation prosperieren, ohne die Ressourcen dieser Erde zu vernichten? Und wie kann Deutschland auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung helfen?

Dass Köhler den Umweltschutz zum Hauptthema seines Besuchs gewählt hat, war richtig. Die ökologischen Folgen des chinesischen Wirtschaftsbooms sind verheerend – nicht nur in der Volksrepublik, sondern für die gesamte Menschheit. 20 der 30 weltweit dreckigsten Städte liegen in China. Wegen der Luft- und Grundwasserverschmutzung steigen die Krebserkrankungen dramatisch. 300 Millionen Chinesen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 90 Prozent des Graslandes sind von Versteppung bedroht. In manchen Gegenden kämpfen die Dörfer bereits um die letzten Wasserlöcher.

Pekings Führer können diesen Raubbau an der Natur nicht stoppen. Der Wirtschaftsboom und der steigende Lebensstandard haben eine umweltbedrohende Eigendynamik entwickelt. Allein in Peking werden jeden Tag 1000 neue Autos angemeldet. In den Provinzen opfern ehrgeizige Funktionäre Wälder und Weideland, um immer neue Fabriken zu bauen. Dort wird oft mit veralteten Methoden produziert, die Mensch und Natur vergiften und Ressourcen verschwenden. Um eine Tonne Stahl zu produzieren, brauchen chinesische Fabriken oft doppelt so viel Energie wie Firmen in Europa oder Japan.

Chinas Regierung beziffert den Schaden der Umweltverschmutzung auf 220 Milliarden US-Dollar im Jahr – das entspricht in etwa dem Wirtschaftswachstum. Und das sind nur die Kosten im Land selbst. Der Dreck aus Chinas Schloten wird auch in andere Kontinente geweht und geht dort als Smog über den Städten nieder.

In keinem Land steigt der Ausstoß von Kohlendioxid so rasant. Noch vor 2010 wird China die USA als größter Produzent von Treibhausgasen überholen. Eine globale Umwelt- und Klimapolitik kann deshalb nur mit China funktionieren. Köhler machte deshalb den Umweltschutz zum alleinigen Hauptthema der Gespräche in Peking. Über Menschenrechte redete er mit Hu Jintao nur allgemein. Offenbar wollte er verhindern, dass das Thema sein eigentliches Anliegen überschatten könnte. Ein Fehler – denn Chinas Bürgerrechtler sind auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Selbst dem Umweltschutz tat Köhler keinen Gefallen. Unter Chinas repressivem System leiden nämlich nicht nur Demokratie-Aktivisten, sondern auch Umweltschützer. Die Ursachen für Chinas Umweltprobleme liegen in der Politik. Weil die Fabriken im Besitz lokaler Regierungen sind oder Manager gute Beziehungen haben, werden Naturschützer verfolgt, ihre Familien unter Druck gesetzt. Die staatlichen Medien dürfen nur in Ausnahmefällen über Umweltsünder berichten.

Was der Umweltschutz in China am dringendsten braucht, sind nicht deutsche Solaranlagen und Know-how, sondern Rechtsstaat und gesellschaftliche Freiheiten.

Harald Maass

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