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Meinung: Freiheit zur Despotie

Viele Regime in Afrika setzen auf antikoloniale Reflexe – auf Kosten der Menschenrechte

Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie lebt weiter im Bewusstsein der Menschen, sie existiert in den wirtschaftlichen Abhängigkeiten, im politischen Alltag. Vor 42 Jahren wurde Elfenbeinküste unabhängig von Frankreich, vor 22 Jahren entließ Großbritannien das heutige Simbabwe in die Unabhängigkeit. Wenig hat sich geändert. In beiden Staaten blühen die antikolonialen Reflexe wieder auf, in der Bevölkerung selbst oder gesteuert durch eine skrupellose Regierung. Und beide Staaten sind offenbar immer noch abhängig in ihrem Wohl und Wehe von den alten Kolonialmächten. Für Frankreich ist die Elfenbeinküste, wo 20 000 Franzosen leben und sie eine Militärbasis betreiben, ein Tor zum gesamten Markt im frankophonen Westafrika – ein ökonomischer Trumpf.

Aber dieser eigentlich reiche „Kakao“-Staat wird seit langem zerrieben zwischen den elitären Ethnien des Südens und den Armen des Nordens, er ist von Putschen geplagt und jetzt zur Hälfte unter der Kontrolle von Rebellen. Fast hilflos steht das alte „Mutterland“ Frankreich daneben: Ein unglücklicher Friedensvertrag ist in Paris eingefädelt worden, wie ein Patron hat sich Präsident Jacques Chirac aufgeführt, um den fülligen Präsidenten Laurent Gbago zur Annahme zu überreden. Es ging schief. Die Krise schwelt weiter – das Volk im Süden will den Frieden nicht akzeptieren und kanzelte Frankreich wie einen Schuljungen ab.

Am Fall Simbabwe ist ein zweites Phänomen erkennbar, dass Afrikas Staatenwelt durchläuft: die Befreiung hin zur eigenen, im globalen Sinne politisch nicht korrekten Meinung. Auch Simbabwes Regierung macht jetzt in der Frage um die Austragung eines Cricket-Länderspieles mit England auf dem eigenen Boden antikoloniale Politik, wie so oft zuvor. Die britische Regierung hatte sich gegen eine Reise des eigenen Nationalteams nach Simbabwe ausgesprochen, Robert Mugabes System reagierte wie gewohnt harsch.

In Europa wird oft übersehen, dass Mugabe von den meisten afrikanischen Staaten als legitimer Politiker geachtet wird.

Bei allen Übeln – der hungernden Bevölkerung, der schlechten Menschenrechts- und Demokratiebilanz – ist Simbabwes Präsident für viele Afrikaner immer noch zu allererst der alte, heute ein bisschen verrückte Freiheitskämpfer. Die lange Besetzung der Ländereien durch ein paar Tausend weiße Siedler gilt vielen Afrikanern als der größere Skandal.

Der Hang zur politischen Unkorrektheit Afrikas wird auch durch die Ernennung einer libyschen Vorsitzenden für die UN-Menschenrechtskommission deutlich – auf Vorschlag Südafrikas und mit afrikanischen Stimmen. Natürlich ist mit Libyen der Bock zum Gärtner gemacht worden, doch die afrikanische Perzeption ist eine andere, und sie hat nicht nur mit Libyens Finanzhilfen zu tun. Vielleicht bessere sich Libyen jetzt ja, heißt es, und es wird auf die Freundschaft von Afrikas Kontinentalheld Nelson Mandela zu Gaddafi verwiesen.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs werde Afrika von den USA nur noch als geostrategischer Platz für die Ölsuche und als Startrampe für Militäroperationen gesehen, hat kürzlich Salih Booker von „Africa Action“ geklagt. Diese Ansicht lässt sich auf die Afrikapolitik Europas zum Teil übertragen, bei der die koloniale Vergangenheit und die Angst vor Flüchtlingsströmen ebenfalls eine Rolle spielen. Die Afrikaner reagieren mit Unbotmäßigkeit und der Suche nach einer eigenständigen Politik darauf. Wenn man so will, ein zweiter Akt der Befreiung.

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