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Meinung: Frühes Altern einer neuen Idee

An Weihnachten konnten die Klon-Experten der Firma PPL Therapeutics noch die Champagnerkorken knallen lassen. Fünf anscheinend gesunde Klon-Ferkel waren geboren, deren Organe durch ein fehlendes Gen für Menschen verträglicher gemacht wurde.

An Weihnachten konnten die Klon-Experten der Firma PPL Therapeutics noch die Champagnerkorken knallen lassen. Fünf anscheinend gesunde Klon-Ferkel waren geboren, deren Organe durch ein fehlendes Gen für Menschen verträglicher gemacht wurde. Die Hoffnung nahm Gestalt an, Schweine mit einem derartigen "Knockout-Gen" könnten dem Mangel an brauchbaren Ersatzorganen bald ein Ende setzen.

Ein paar Tage später dann die Hiobsbotschaft: Dolly, das erste geklonte Tier der Welt, leidet an Arthritis. Was das für die Profitaussichten der schottischen Biotech-Firma bedeutet, zeigt der Aktienkurs: Die Klonferkel hatten ihn um mehr als 20 Prozent nach oben getrieben, das arthritisgeplagte Schaf beförderte ihn wieder in die Tiefe.

Nun ist es keineswegs erstaunlich, dass Schafe an entzündeten Gelenken leiden. Normalerweise ist das jedoch erst in höherem Alter der Fall. Dolly ist gerade mal fünfeinhalb Jahre alt. Wirklich? Die Altersangabe stimmt, wenn man auf den Geburtsschein schaut. Doch die Euterzelle, aus der Dollys Erbgut gewonnen wurde, stammte von einem erwachsenen Schaf. Stand Dollys innere Uhr bei der Geburt tatsächlich auf Null, oder war sie schon einige Jahre gelaufen? Kritiker der Klonierung hatten diesen Effekt schon immer vermutet und können Dollys vorzeitige "Alterskrankheit" nun als Beleg anführen.

Auch Dollys "Vater", Professor Ian Wilmut vom Edinburgher Roslin Institut, reihte sich in die Schar der Bedenkenträger ein. Mit der Klon-Technik müsse man vorsichtig umgehen, mahnt der Schotte. Dies mag manchen überraschen, der sich noch an die hoffnungsvollen Perspektiven erinnert, die Wilmut mit dem ersten erfolgreichen Tierklon verbunden hatte: Tiere als Medikamentenlieferanten, Tiere als Organspender.

Die Euphorie war aber schon deutlich abgeklungen, als die Firma ACT vor etwa zwei Monaten den ersten menschlichen Klon nach dem "Dolly"-Verfahren erzeugte. Die amerikanischen Biotechniker malten die Zukunftsvision an die Wand, aus geklonten Embryos menschliche Stammzellen gewinnen und damit schwere Krankheiten heilen zu können. Wilmut warnte damals vor den Folgen. Es gebe keinen vernünftigen Grund, Menschen zu klonen, sagte er.

Nach Dollys Arthritis verschärft Wilmut den Ton. Es lägen reichlich Beweise vor, dass es unverantwortlich sei, ein menschliches Wesen zu klonen. Dollys Erkrankung könne ein Zeichen vorzeitiger Alterung sein, sagt er. Träfe dies zu, wären auch die geklonten Knockout-Ferkel nicht mehr so attraktiv. Wer will sich schon Organe übertragen lassen, die bald vorzeitig altern? Rückrufaktionen wie bei Autos kann es bei Transplantationen nicht geben; dafür fehlen die Ersatzteile.

Es gibt auch noch andere Risikofaktoren bei der Übertragung geklonter Schweineorgane mit verändertem Erbgut. So ist mit dem Ausschalten eines Gens das Problem der Abstoßung noch lange nicht gelöst. Tierorgane haben noch viele andere Moleküle und Proteine, die das menschliche Immunsystem aggressiv machen. Zudem können Viren mit übertragen werden, deren langfristige Wirkungen auf den Menschen noch völlig unbekannt sind.

Trotz aller Bedenken und Risiken wird weiter geklont werden. Diese Technik bietet viel Potenzial für Wissenschaftler und Aktionäre. Solange Menschen sterben, die vergeblich auf ein Spenderorgan warten, gibt es Grund genug, die Möglichkeiten der Transplantation von Tierorganen zu erforschen. Allerdings müssten alle vorhandenen Informationen bedacht werden. Wilmut hat Recht, wenn er die Zusammenarbeit aller Forschungslabors und den Austausch der Ergebnisse fordert. Wird es dazu kommen? Die Erfahrungen sprechen dagegen.

Paul Janositz

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