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Meinung: Frühkapitalistisch

Fortschritt in Afrika ist nicht mit westlichen Standards zu bekommen.

Es klingt wie die Rückkehr in die Kolonialzeit: Der Schweizer Rohstoffriese Glencore verarbeite Kupfer, das im Kongo unter „prekären Bedingungen und von Kindern“ gefördert werde. So lautet der Vorwurf, den zwei kirchliche Hilfswerke erheben, und sie wissen dabei weite Teile der öffentlichen Meinung hinter sich. Denn geprägt wird das Bild solcher Konzerne noch immer von der Ausbeutung Afrikas durch die Weißen.

Doch die Kritik ist einseitig. Denn die Lage vor Ort ist erheblich komplexer als die Kritiker glauben. Die Unternehmen sind zumeist total auf sich selbst gestellt. Wegen des Fehlens fast jeglicher Infrastruktur sind sie zum Beispiel im Kongo gezwungen, sich alles selbst zu besorgen – vom Treibstoff für die Maschinen über das Trinkwasser bis hin zur satellitengestützten Kommunikation. Auch sind sie der Willkür der Machthaber ausgesetzt, die Gesetze, Konzessionen und Steuern nach Belieben ändern. Viele Politiker arbeiten vor allem für den eigenen Vorteil: Der Clan von Kongos gewähltem Staatschef Joseph Kabila soll rund eine Milliarde Dollar angehäuft haben. Im Gegensatz dazu haben die Unternehmen erheblich weniger Macht, als ihre Kritiker im Westen glauben. Entsprechend vorsichtig sind sie mit Investitionen, was sie wiederum dem Vorwurf aussetzt, Afrika zu ignorieren.

Und so empören sich die Nichtregierungsorganisationen oft nur über Schäden, die Unternehmen vor Ort anrichten, aber ignorieren völlig den Wohlstand, den sie zumindest ansatzweise schaffen. In den meisten Staaten Afrikas, wo oft mehr als die Hälfte der jungen Menschen keinen Job hat, sind daher nicht die Fehler der internationalen Konzerne das Problem – sondern die Tatsache, dass zu wenige kommen und investieren.

Bezeichnend für die komplexen Probleme ist die oft illegale und deshalb international angeprangerte Förderung von Coltan, das für Handys benötigt wird, im Osten des Kongo. Seitdem westliche Unternehmen durch ein amerikanisches Gesetz gezwungen sind, die Herkunft des Metalls offenzulegen und deshalb kein billiges Coltan mehr aus dem Kongo aufkaufen, ist die Industrie dort kollabiert – und Zehntausende der selbstständigen Kleinschürfer verdienen gar nichts mehr.

So schwer es für viele Kritiker zu akzeptieren ist: Die einzige Chance für Entwicklungsländer, sich wirklich zu entwickeln, liegt oft darin, für einen Übergangszeitraum eine höhere Verschmutzung und schlechtere Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen, genau wie dies in Europa im Frühkapitalismus der Fall war. Man kann dies Ausbeutung nennen – aber auch Industrialisierung. Wer dies ganz verhindern will, sorgt unbeabsichtigt dafür, dass die Menschen in Afrika noch lange in abgrundtiefer Armut verharren.

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