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Meinung: Für immer belastet

Der Bundestag untersucht nun den Fall Gorleben – höchste Zeit für ein Ende der Tricks

Die Frage, ob der Salzstock in Gorleben aus fachlichen oder aus politischen Gründen als Endlagerstandort für hochradioaktiven Müll ausgewählt wurde, ist eigentlich längst beantwortet. An diesem Donnerstag konstituiert sich im Bundestag ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der den Verdacht prüfen soll. Er kann kaum zu einer anderen Einschätzung kommen, als dass die Entscheidung in erster Linie politisch motiviert war.

Im vergangenen Sommer waren etliche Dokumente und Aussagen beteiligter Wissenschaftler ans Licht gekommen, die das recht eindeutig beweisen. Besonders gravierend: 1983 machten Bundesinnen- und Bundesforschungsministerium Druck auf die Forscher der damals zuständigen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Nach dieser Intervention wurde das Gutachten, mit dem die unterirdische Erkundung des Salzstocks in Gorleben begründet wurde, so geschönt, dass dem Bau des Bergwerks nichts mehr im Wege stand.

Gorleben wird immer mit dieser Hypothek belastet sein – egal, ob sich der Salzstock als geeignet oder als ungeeignet herausstellt. Es wurde nicht der bestmögliche Standort für ein atomares Endlager gesucht, sondern der politisch vermeintlich am leichtesten durchsetzbare. Es kann durchaus sein, dass der Salzstock nicht dazu taugt, den stark strahlenden Atommüll für eine Million Jahre sicher zu verwahren. Die Strategie der amtierenden Bundesregierung ist damit riskant – aber nicht für sie selbst. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat angeordnet, die Erkundung in Gorleben wieder aufnehmen zu lassen und nicht gleichzeitig nach geeigneten alternativen Standorten zu suchen. Frühestens in zehn bis 15 Jahren wird diese Erkundung abgeschlossen sein.

Stellt sich dann heraus, dass Gorleben nicht geeignet ist, was bis dahin etwa drei Milliarden Euro gekostet haben wird, dann ist Röttgen zwar dafür verantwortlich, dass Deutschland auch in 30 Jahren noch kein Endlager haben wird. Aber das könnte für seine politische Karriere dann schon keine Rolle mehr spielen. Dann muss, wer auch immer zu dieser Zeit die politische Macht haben wird, doch noch das bestmögliche Atomendlager suchen. Bis dahin könnte schließlich das Exportverbot für Atommüll in Kraft sein, das Röttgens Parteifreund, der EU-Energiekommissar Günther Oettinger gerade angekündigt hat.

Die Endlagerdebatte ist noch nie rational geführt worden. Zwar war mit dem Beginn der Nutzung der Atomenergie klar, dass Deutschland die Verantwortung für die Hinterlassenschaften dieser Energieform übernehmen muss. Doch passiert ist das bis heute nicht. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Weitererkundung Gorlebens vor allem dazu dient, den im Atomgesetz geforderten „Entsorgungsnachweis“ zu liefern, damit die Laufzeit der Reaktoren verlängert werden kann. Auf eine Anfrage der Grünen hat die Regierung in rund 90 Genehmigungsfällen für Atomkraftwerke auf Gorleben Bezug genommen. Trotz gegenteiliger Rhetorik hat mit Röttgens Aufhebung des Gorleben-Moratoriums nicht das Zeitalter der Verantwortung in der Atompolitik begonnen.

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