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Meinung: Für Kinder Kasse machen

Der Bund muss in die Finanzierung der Betreuung einsteigen Von Ekin Deligöz

POSITIONEN

Wer ein gutes Haus bauen will, braucht ein solides Fundament. Wer eine funktionierende Gesellschaft will auch. Deshalb wird RotGrün die Betreuung für Kinder unter Jahren ausbauen. Kinder sind das Fundament der künftigen Gesellschaft. Ihre Chancen hängen entscheidend davon ab, welches Rüstzeug sie für ihren Lebensweg bekommen. Neben der Familie haben die verschiedenen Einrichtungen für Kinderbetreuung ein gehöriges Maß an Verantwortung. Der können sie derzeit kaum gerecht werden: Bei der Kinderbetreuung ist Deutschland europäisches Schlusslicht. Die pädagogische Qualität und Bildungsleistung stellt, von Ausnahmen abgesehen, kaum zufrieden.

Damit alle Kinder chancengerecht aufwachsen können, brauchen wir mehr hochwertige Kinderbetreuung. Das stärkt die Entwicklung der Kinder und führt sie schon frühzeitig an die Schlüsselressource Bildung heran. Ohne ausreichende Kinderbetreuung bleibt zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter ein unerfüllter Wunsch zahlloser Eltern; wir vergeuden wertvolle Qualifikationen insbesondere von Frauen. Ungerecht und unproduktiv – gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.

Die Politik muss auch bei der Kinderbetreuung neue Wege einschlagen und mit überkommenen Strukturen brechen. Hier setzt das Projekt für Kinder unter drei Jahren an. Wir werden Bedarfskriterien gesetzlich festschreiben, so dass die Kommunen verpflichtet sind, zumindest einen Grundbedarf zu decken. Auch sollen erstmals Qualitätskriterien verankert werden. Bei der Finanzierung über Entlastungen bei den Hartz-Reformen müssen die Länder die in vorgesehener Höhe freiwerdenden Mittel an die Kommunen weiterleiten. Hier wird sich erweisen, wie viel ihnen an der Zukunft von Familien liegt.

So wichtig der anvisierte Ausbau ist, er kann nur ein Anfang sein. Es ist unstrittig, dass langfristig ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot für Kinder aller Jahrgänge bis zum 14. Lebensjahr geschaffen werden muss. Das Ziel: Betreuung und Bildung. Von einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Tagesstätten sind wir heute noch meilenweit entfernt.

Um gegenzusteuern brauchen wir neue Ideen und Konzepte, aber auch Geld. Selbst auf lange Sicht werden die Kommunen nicht die Finanzlast einer umfassenden Kinderbetreuung schultern können. Einige Bundesländer formieren sich, um im Zuge der Föderalismusdebatte den vollen Zugriff auf die Kinderbetreuung zu erlangen. Dass sie dabei jenseits von Kürzungen vernünftige Finanzierungsideen mitbringen, ist nicht bekannt. Bedenkt man, dass gerade in den relativ wohl situierten Ländern im Süden das geringste Angebot bereitsteht, muss man diesen Vorstoß ablehnen. Die Föderalismuskommission muss das Thema als eigenständigen Punkt auf ihre Tagesordnung setzen.

Auf Dauer wird es unumgänglich sein, die Finanzierung in diesem Bereich vollständig neu zu strukturieren. Der Bund wird in das Finanzierungssystem einsteigen müssen, selbst wenn es dazu der Neujustierung der Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommunen bedarf. Die bevorstehende Grundgesetzänderung zur Umsetzung der Hartz-Reformen demonstriert, wie groß der Handlungsspielraum wird, wenn ein gemeinsamer politischer Wille vorhanden ist. Die Schaffung einer Kinderkasse, in der kinder- und familienrelevante Leistungen gebündelt werden, wäre ein mögliches Instrument zur Umsetzung. Angesichts knapper Kassen müssen wir auch Mittel in den Bereich der Betreuungsinfrastruktur umschichten.

Da heißt es, an anderen Stellen konsequent zu sein: Etwa, die antiquierte Förderung des Trauscheins durch das Ehegattensplitting einzuschränken. Folgerichtig sollte auch die Gewichtung in der Bildungsfinanzierung neu ausgelegt werden. Wir subventionieren jeden Studienplatz jährlich mit Tausenden von Euro, und verlangen für den Kindergarten Elternbeiträge, Tendenz steigend. Es geht hier nicht um Unkosten oder gar Luxus, sondern um Zukunftsinvestitionen. Jeder Euro in Kinderbetreuung rentiert sich vierfach. Wer ein solides Fundament baut, muss nachher nicht viel reparieren.

Die Autorin ist familien- und kinderpolitische Sprecherin und Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Foto: B’90/Grüne

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