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G-20-Treffen: Mehr als Maschinen

Deutschland steht bisher in diesem Währungskrieg strategisch günstig da. Die Handelsbeziehungen mit China entwickeln sich prächtig und treiben die deutsche Industrie an. Angela Merkel sollte in Seoul gleichwohl deutlich machen, dass Deutschland nicht nur Maschinen und Autos anzubieten hat, sondern auch Werte. Es geht eben nicht nur ums Geld.

Es war schon im Kreis der G 8 schwierig genug. Jedenfalls ist Russland bis heute weit entfernt von der lupenreinen Demokratie, die Gerhard Schröder einst attestierte. Doch da inzwischen die größere Gruppe der G 20 die Führungsrolle in der Welt einnimmt, verstärkt sich das Gewicht von Staaten, in denen Demokratie und Rechtsstaat vergleichsweise wenig zählen. Ohne Zweifel mussten die größten Industrie- und Schwellenländer auf dem Höhepunkt der Finanzkrise zusammenfinden, um das Bankensystem zu retten. Doch jetzt, zwei Jahre später, wird deutlich, wie wenig sie eine Wertegemeinschaft darstellen.

Das zeigt sich an keinem Beispiel besser als an China. Das bevölkerungsreichste Land der Erde versucht, eine Art Marktwirtschaft ohne Demokratie zu realisieren. Willkür, Zensur und Repression gehören zum System. Internationaler Druck, wie ihn der Friedensnobelpreis für den inhaftierten chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo auslösen sollte, erzeugt allenfalls Gegendruck, scheint es.

Nun kann China aber gerade am Tisch der G 20 seine Bedeutung voll ausspielen. Ohne den neuen Exportweltmeister geht weltwirtschaftlich nichts mehr. Von einem Währungskrieg ist die Rede, und allein das verzweifelte Manöver der US-Notenbank, die Finanzmärkte mit 600 Milliarden Dollar zu fluten, zeigt schon wie sich die Gewichte verschieben. Krieg, Inflation: Das sind Worte, die sich ins kollektive Gedächtnis der Deutschen tief eingebrannt haben – aber offenbar nicht nur da. Immer neue Höchststände der Krisenwährung Gold sind ein Indiz, dass die Lage fragiler ist als viele Politiker glauben machen wollen.

Nun ist es ja keineswegs so, dass sich die Pekinger Autokraten zurückhaltend in den Kreis der mächtigsten Nationen der Welt einreihen. Von einem erstaunlichen Selbstbewusstsein reden deutsche Unterhändler. Die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen zeigte sehr deutlich, wie es steht: Die Staats- und Regierungschefs saßen zusammen, um ein wichtiges globales Abkommen voranzubringen – nur Premierminister Wen Jiabao blieb im Hotelzimmer und schickte einen Staatssekretär ohne Prokura. Der Gipfel scheiterte, und China kam mit dem offensichtlich kalkulierten Affront durch. Es wäre keine wirkliche Überraschung, wenn Seoul ganz ähnlich liefe. China ist schließlich der größte Gläubiger der überschuldeten, wirtschaftlich geschwächten USA. Da kann Präsident Barack Obama lange appellieren, China solle aufhören, seine Währung niedrig zu halten.

Deutschland steht, bisher jedenfalls, in diesem Währungskrieg strategisch günstig da. Die Handelsbeziehungen mit China entwickeln sich prächtig und treiben die deutsche Industrie an. Bald verkaufen die deutschen Hersteller mehr Autos in China als daheim. Und die Schwäche der amerikanischen Wirtschaft schlägt nicht so stark auf die deutschen Unternehmen durch, wie es noch vor kurzem zu erwarten gewesen wäre. Zugleich dürfte das transatlantische Verhältnis trotz der jüngsten Dissonanzen nicht nachhaltig beschädigt sein. Zwar wünschen sich die USA auch von Deutschland mehr Nachdruck bei der Binnennachfrage, aber Merkel wird in Seoul darauf verweisen können, dass inzwischen nur noch ein Drittel des Wirtschaftswachstums vom Export getragen wird.

So naiv es klingen mag: Angela Merkel, in einer Diktatur aufgewachsen, sollte in Seoul gleichwohl deutlich machen, dass Deutschland nicht nur Maschinen und Autos anzubieten hat, sondern auch Werte. Es geht eben nicht nur ums Geld.

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