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Meinung: G-8-Gipfel: Was sie denken, was sie wollen

Kann sich jemand erinnern, was der letzte G-8-Gipfel gebracht hat? Irgendetwas, was die Welt ein Stück besser gemacht, ein Problem gelöst hat?

Kann sich jemand erinnern, was der letzte G-8-Gipfel gebracht hat? Irgendetwas, was die Welt ein Stück besser gemacht, ein Problem gelöst hat? Heute beginnt wieder so ein Mammutspektakel, in Genua. 15 000 Polizisten, 100 000 Demonstranten, viele Millionen Mark Kosten. Am Ende werden die Bilder von gewalttätigen Protestierern und der Polizei-Phalanx mit Helm und Schlagstock die Berichte bestimmen. Erneut wird wohl untergehen, was die acht Staats- und Regierungschef beschlossen haben. Und welche Sorgen die friedlichen Globalisierungsgegner bewegen.

Zwei Mächte stehen sich da gegenüber, die leicht den Spott auf sich ziehen: Wir wissen zwar nicht, was wir wollen - aber das mit ganzer Kraft. Die G 8 haben keine richtige Tagesordnung. Ob Naher Osten, Argentinien- und Türkei-Krise oder diplomatische Unterstützung für die parallel tagende Klimakonferenz in Bonn - diese Themen hat ihnen die Aktualität aufgezwungen. Und was die Rüstungskontrolle in den Zeiten der Raketenabwehr betrifft: Da haben nur zwei der acht mitzureden, Bush und Putin. Wäre es also besser, die G 8 abzuschaffen - zu viel Aufwand, zu wenig Ertrag?

Mag sein, die Globalisierungsgegner haben ein bisschen Recht. Nur: womit genau? Ihre Bewegung ist diffus, besteht aus den unterschiedlichsten Gruppen und Grüppchen. Nach der Lektüre ihrer Programme und unzähliger Reportagen darüber, wie sie sich auf Genua vorbereiten, kann man sich zwar vorstellen, was sie so denken. Aber nicht, was sie wollen. Die einen sorgen sich, die Finanzströme entglitten jeder Kontrolle. Andere sagen, Weltbank, Internationaler Währungsfonds (IWF) und die G 8 hätten zu viel Macht. Alle finden die Weltwirtschaftsordnung ungerecht. Doch wer sonst soll Argentinien und der Türkei aus der Krise helfen? Oder das Aids-Programm für das südliche Afrika bezahlen? Die Forderung nach einer weltweiten Spekulationssteuer ist noch am konkretesten. Es liegt jedoch ein Widerspruch in der Kritik und den Forderungen der Globalisierungsgegner. Einerseits werfen sie den G 8 vor, sie übten viel zu viel Macht aus, hörten zu wenig auf die Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) und diktierten notleidenden Ländern die Bedingungen für die Rettung. Andererseits wünschen sie mehr staatliche Lenkung und Kontrolle der Ökonomie. Wollen wir das wirklich: ein politisches Diktat von acht Staaten über die globalen Wirtschaftsströme?

Die Bilder von diesen Gipfeln und die Urteile leben von einer Illusion - einem Mythos, den die Medien mit den Berichten über die Entwicklung vom ersten Kamingespräch 1975 auf Schloss Rambouillet bis zu den Mammutgipfeln der letzten Jahre genährt haben: Die G 8 seien eine Art Weltregierung. Manche finden es beruhigend, dass sich da jemand kümmert - andere anmaßend, wenn acht von 189 Staaten bestimmen sollen, wo es weltweit langgeht. Es gibt dieses Weltzentrum der Macht jedoch gar nicht. Es ist nicht mehr als eine Inszenierung, eine Simulation.

Vielleicht sollte man die G-8-Treffen dennoch nicht abschaffen. Sie leisten mehr als noch bei ihrem ersten Treffen im Jahre 1975, beim beschaulichen Gedankenaustausch über globale Trends. Heute sind sie ein kleiner Weltreparaturbetrieb: siehe Argentinien, die Türkei oder das Geldsammeln für den Aids-Fonds. Sie gewährleisten sogar ein bisschen Transparenz der Globalisierung - viele der Themen von Genua würden gar nicht so breit diskutiert, wenn nicht der Gipfel und die Proteste die Aufmerksamkeit darauf lenkten. Man darf die G 8 nur nicht am Traumbild einer gerechten, allmächtigen Weltregierung messen. Denn das macht sie zum Alptraum.

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